Der Gründer aus der Hauptstadt kommt mit einer demonstrativen Reminiszenz an die neue Mutter aus der Pfälzer Provinz zum Termin im Hornbach-Markt Marzahn: „Uffbasse, barrierefrei“ (für Nicht-Pfälzer: aufpassen) steht auf dem Rücken seines schwarzen Firmen-T-Shirts, vorne auf der Brust steht, worum es geht: Seniovo, mit dezentem Ocker im Logo. Darüber: Hornbach mit dem plakativen Signet in Orange und Rot.
Und darum geht es hier: Im Dezember hat Hornbach das Start-up Seniovo übernommen. Es ist darauf spezialisiert, Bäder barrierefrei oder barrierearm umzubauen – mit dem Ziel, dass Senioren, Pflegebedürftige und Pflegende weniger „uffbasse“ müssen.
Jonathan Kohl, der Seniovo 2017 gegründet hat und in Berlin lebt, kann es auch auf Hochdeutsch sagen: „Die Pflege wird massiv erleichtert, für Pflegebedürftige selbst sowie für die Pflegenden“, und er weiß: „Jeder dritte Senior ist einmal im Jahr gestürzt.“
Dass ein barrierearmes Bad ein Baustein in der Sturzprophylaxe ist, ist ja nun keine neue Erkenntnis. Der Witz an Kohls Konzept ist ein anderer: Seniovo ist nicht einfach ein Handwerkerservice – den kann Hornbach auch alleine bieten –, sondern weiß, wie die Förderung durch die Pflegekasse funktioniert, und wickelt deshalb den gesamten Prozess ab – von der Angebotserstellung über den Antrag der Fördermittel gemäß Paragraph 11 des Sozialgesetzbuchs (SGB) bis zum Einholen der Zustimmung des Vermieters.
Am Ende hat der oder die Betroffene ein Bad mit einer barrierearm zugänglichen Dusche statt der Wanne, die gerade in den Mietwohnungen noch stehen, in denen Pflegebedürftige typischerweise schon lange leben. Konkret geht es um 4.000 Euro von der Pflegekasse (ab 2025 sind es 5 Prozent mehr). Damit lässt sich der Basis-Umbau realisieren: Wanne raus, bodennahe Duschtasse rein, Duschabtrennung davor, die (meist unverkleidete Wand hinter der Wanne) verfliesen.
Gründer Jonathan Kohl ist nach der Übernahme als Geschäftsführer der nun 100-prozentigen Hornbach-Tochter weiter an Bord, ebenso seine Co-Geschäftsführer Robert Schneider und Florian Stiebler. Seniovo sieht die Chance des ganzheitlichen Ansatzes auch mit Blick darauf, dass die Kunden digital durch den Prozess geführt werden: „Über unsere Plattform ist das Konzept skalierbar.“ Seit 2017 hat das auf inzwischen knapp 60 Mitarbeiter angewachsenen Team rund 4.000 Sanierungen abgeschlossen.
Gleich drei neue Anfragen über Hornbach sind schon mal in der ersten Woche Anfang Juni dazugekommen, als der Rollout der Seniovo-Präsentation auf der Fläche gestartet wurde. In Berlin-Marzahn ging es los, und Marktleiter Uwe Metscher und sein Stellvertreter Ingo Schütze (der seit 1997 in diesem Markt arbeitet und praktisch jeden Kunden kennt) sehen jede Menge Potenzial. „Die meisten Leute sind ja überfordert“, berichtet Schütze nach der ersten Woche von den Gesprächen mit den Interessenten; meistens sind es die Angehörigen, die eine Lösung dafür suchen, dass zum Beispiel ihre alten Eltern in ihren Wohnungen bleiben können.
Der Markt in Marzahn eignet sich gut für den Start des Rollouts. Er befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des ersten großen Neubaugebiets der DDR; in den 70er Jahren wurde begonnen, mit dem damals neuen Konzept Plattenbau Wohnraum zu schaffen. Andererseits stehen noch viele kleinere Häuser im Einzugsgebiet. Das bedeutet in beiden Fällen: Die Bausubstanz und vor allem die Bäder sind alt und eng – ungünstige Voraussetzungen für die Pflege zu Hause, günstige für ein Konzept wie das von Seniovo.
Die Seniovo-Präsentation haben Metscher und Schütze im Windfang des Marktes aufgestellt und nicht in der Sanitärabteilung, wo sie thematisch eigentlich hingehört; dafür haben sie eigens eine der Türen verschlossen. Aber bei bis zu 6.000 Kunden, die zu Spitzenzeiten hier pro Tag vorbeikommen, ist der Standort ideal, um möglichst viele Kunden auf das Angebot aufmerksam zu machen. So wird in einem Vorher-Nachher-Modell eine bodennahe Dusche auf der Grundfläche einer Badewanne gezeigt, von der quer aufgesägt ein Rest stehen geblieben ist. Man sieht auf einen Blick: Wo Wanne war, soll Dusche sein. Alternativ ist auch eine Badewanne mit Tür möglich.
Das nutzt gleich mehreren Betroffenen: zuerst natürlich älteren Menschen, die dann nicht mehr in eine Wanne steigen müssen; dann den Personen, die bei der Pflege, also beispielsweise beim Waschen, involviert sind, deren Tätigkeit erheblich erleichtert wird; und schließlich den Wohnungsbesitzern, die von einer Wertsteigerung oft ohne eigene Investition profitieren.
Deshalb sieht das von Jonathan Kohl entwickelte Konzept auch vor, die Immobilienbesitzer und insbesondere die Wohnbaugesellschaften ins Boot zu holen. Ihnen gehe es in diesem Zusammenhang schließlich auch um standardisierte Lösungen, um Prozesskostenentlastung und ihr soziales Image nach dem Motto: „Die tun was für ihre Mieter.“
Und Hornbach hat natürlich auch etwas davon: Die Seniovo-Handwerker beziehen ihr gesamtes Material nun natürlich vom Baumarktbetreiber aus der Pfalz. Der hat sich mit dem Start in Marzahn daran gemacht, neun weitere Märkte in Berlin und Brandenburg mit der Seniovo-Präsentation auszustatten. Dann soll die Expansion des Konzepts ins bevölkerungsreiche Nordrhein-Westfalen weitergehen. Am Ende soll das Angebot bundesweit verfügbar sein.
Die Idee, dass im Zuge der Expansion die Marke Seniovo aufgegeben werden soll und das Badumbau-Konzept künftig unter der Marke Hornbach laufen soll, wurde diskutiert, aber bislang verworfen. Doch das Logo mit seinem dezenten Seniovo-Ocker auf dem T-Shirt von Jonathan Kohl und der Arbeitskleidung könnte ans Hornbach-Orange angeglichen werden. Da muss man mal uffbasse, was passiert.