Wir schreiben den 23. April 1887. Das britische Parlament ist dabei, ungewollt einen gewaltigen Fehler zu machen. Es verabschiedet ein Gesetz, dass alle Produkte, die aus dem Deutschen (Kaiser-)Reich stammen, mit der Herkunftsbezeichnung „Made in Germany“ versehen sein müssen. Was die Stahlbarone und -arbeiter in und um Sheffield bzw. deren Waren vor billigen Nachahmerprodukten aus Deutschland schützen sollte, erwies sich als vergiftetes Geschenk. Erstens erfuhren die britischen Konsumenten erst so, was alles bereits aus Deutschland importiert wurde (Kleidung, Puppen, Bleistifte etc.) und machten so für deutsche Ware ungewollt Reklame. Und zweitens holten auch die deutschen Stahl- und Eisenprodukte qualitativ so schnell auf, dass bereits um 1900 herum der Makel „Made in Germany“ zu einem Qualitätssiegel geworden war. Seitdem haben wir mit VW-Käfer und Mercedes-Benz, Leitz und Leica, Bohrhämmern und Hochdruckreinigern der Welt bewiesen, was Deutsche entwickeln können. Qualität, Funktionalität und Design – diese drei Begriffe prägten deutsche Spitzenprodukte. Und sie prägen sie bis heute. Aus den deutschen Nachahmern, den „Chinesen des 19. Jahrhunderts“, wurden Entwickler und Produzenten, deren Waren ihrerseits gerne kopiert werden. Das galt übrigens nicht nur für West-Deutschland. Auch die so auf ihre Eigenstaatlichkeit achtende DDR druckte bis 1970 auf ihre Exportprodukte das Markenzeichen „Made in Germany“ auf. Dieses Herkunftszeichen ist auf jeden Fall auch heute noch ein international äußerst hoch angesiedeltes Qualitäts-Label. Das wissen auch viele DIY-Lieferanten. Gerade in Osteuropa, so wird immer wieder versichert, werde Wert auf dieses Zeichen gelegt. Da kann sogar bei einem Produkt eine Bedienungsanleitung auf Deutsch als abverkaufsfördernde Maßnahme gelten. Doch zielt „Made in Germany“ nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, so wie es die Briten im 19. Jahrhundert ja eigentlich auch wollten. So ist die Initiative „Ja zu Deutschland – Für Produkte ‚Made in Germany‘“ nur eine Aktion von vielen, die deutsche Konsumenten bewegen will, bevorzugt deutsche Ware einzukaufen. Doch was ist heute noch genuin deutsch? Wenn das Produkt in Einzelkomponenten im Ausland gefertigt, aber in Deutschland zusammengesetzt wird? Wenn es hier entwickelt wurde? Wenn ein japanisches Unternehmen in einer deutschen Fabrik Kameras produziert? Wie viel Deutsch hätten wir denn gerne? Antworten auf diese Fragen will der Themenschwerpunkt „Made in Germany“ in diesem Heft geben. Freuen Sie sich auf spannende Berichte.
Download: Wie viel Deutsch hätten wir denn gerne? (PDF-Datei)