In der klassischen Präsentation werden Seile und Taue auf Rollen präsentiert. Der Kunde kauft die Länge,  die er benötigt.
In der klassischen Präsentation werden Seile und Taue auf Rollen präsentiert. Der Kunde kauft die Länge,  die er benötigt.

Seilflechter

140 Kilometer Seil am Tag

Der Name sagt es schon: Seilflechter produziert Seile, und das schon sehr lange. Inzwischen kommt mehr als ein Drittel des Umsatzes aus dem Baumarkt. Dort hat alles mit Wassersport angefangen.

279 Jahre, neun Generationen, 60.000 Artikel, 140 Kilometer: Mit diesen Zahlen kann man dieses Unternehmen beschreiben, dessen Name kurz und knapp sagt, was es tut: Seilflechter stellt Seile aller Art her. 140.000 Meter kann der Hersteller am Traditionsstandort Braunschweig bei voller Auslastung produzieren – am Tag.

Diese beeindruckenden Zahlen sind allerdings nur die Rahmendaten. Dahinter steckt sehr viel mehr, und vor allem: sehr viel Kontinuität. Das 1745 gegründete Unternehmen ist nach wie vor in Familienhand, geschäftsführender Gesellschafter seit 28 Jahren ist Andreas Halle. Seit seiner Gründung produziert Seilflechter in Braunschweig, und das wird auch so bleiben: „Eine Verlagerung der Produktion ist für uns kein Thema“, sagt ­Andreas Halle. „Wir sind in Braunschweig verwurzelt, wir werden in Braunschweig bleiben.“

Die Verbindung zum Vertriebskanal Baumarkt ist natürlich deutlich jünger als die Firma selbst. Aber auch hier sticht die Kontinuität in der Zusammenarbeit hervor, die maßgeblich von der Person des aktuellen Firmenchefs geprägt ist. Denn als ­Andreas Halle in das Familienunternehmen eingestiegen ist, hatte er seine Brötchen schon etliche Jahre im Baumarkt verdient, und zwar auf der Fläche: als Marktleiter bei Stinnes.

Man kann sagen: Andreas Halle hat das Seil in den Baumarkt gebracht und dort verkaufsfähig gemacht. Angefangen hat alles mit Wassersport. Denn es waren die Nautic-Abteilungen von zwei Bauhaus-Standorten in Hamburg und Düsseldorf, die Seilflechter als erste Baumarktflächen mit einem daran angepassten Seilesortiment ausstatten durfte.

Inzwischen ist Seilflechter sowohl im Bereich Nautic als auch mit einem DIY-Sortiment, das sich an Heimwerker richtet, in den Baumärkten vertreten, für die Seile mittlerweile praktisch zum Standard gehören.

Seilflechter, Andreas Halle
Andreas Halle war Baumarktleiter, bevor er ins Familienunternehmen eingestiegen ist, das er in neunter Generation führt. (Quelle: Dähne Verlag, Strnad)

Der Hersteller bietet seine Seile in zwei Präsentationsvarianten an. Da ist zum einen die Rollenware, die es dem Kunden erlaubt, genau die Menge zu kaufen, die er benötigt. Nachteil für den Handel: Es fallen Personalaufwand, Verschnitt und Inventurdifferenzen an. Als Lösung hat Seilflechter abgelängte und auf Haspeln oder in Doggen konfektionierte Ware entwickelt. Angeboten werden die Längen 5, 10 und 15 m, denn das sind die am meisten nachgefragten Längen, wie der Anbieter herausgefunden hat.

Aber steigt durch die Umstellung nicht die Umweltbelastung? Halle winkt ab. Die Haspeln aus Kunststoff tragen den grünen Punkt und sind wiederverwendbar. Und für die leeren Spulen gibt es ein Pfandsystem, sodass die Baumärkte sie einfach zurückschicken können. „Recycling“, sagt Halle, „machen wir schon ganz lange.“

Zu den zu 100 Prozent selbst produzierten Seilen kommen Zubehörteile vor allem aus Stahl, und zwar zu 97 Prozent aus dem auch für den Salzwassereinsatz geeigneten A4-Stahl. Diese Produkte kauft der Seilespezialist in ganz Europa und darüber hinaus bei Partnern zu, die sie mit von Seilflechter gestellten eigenen Werkzeugen exklusiv fertigen. So wird die Regalwand für Stahlprodukte von insgesamt rund 25 Lieferanten bestückt – deren Ware einer strengen Qualitätssicherung unterliegen.

Seilflechter
Abgelängte Haspel- und Doggenware in den Standardlängen 5, 10 und 15 m verringert den Personalaufwand und Inventurdifferenzen. (Quelle: Seilflechter)
Seilflechter
Die Regalwand mit Stahlprodukten – fast nur A4-Stahl – wird von rund 25 Lieferanten bestückt. (Quelle: Seilflechter)

Dem Baumarkt werden geringe VE-Mengen von Produkten mit hoher Umschlagshäufigkeit geboten, „und immer auf Modulbasis“, wie Andreas Halle sagt. Entscheidend aus Sicht des Baumarktverstehers ist die Beratung. „Ostsee ist nicht gleich Bodensee“, lautet eines seiner Beispiele. „In beiden Regionen wird zwar Wassersport getrieben, aber in der Ostsee fahren größere Boote, es gibt also andere Seildicken, und das Salzwasser stellt besondere Anforderungen“, erklärt Halle. Die Schlussfolgerung für den Handel: „Die Module in den jeweiligen Baumärkten dort müssen unterschiedlich sein.“

Hinzu kommt: „Ich lege Wert auf ein starkes Lager, gleichmäßige Qualität und schnelle Lieferung – europaweit“, sagt Halle. Auch während Corona habe die Lieferquote durchgängig bei fast 99 Prozent gelegen.

Offensichtlich kommt Halle mit seinem Verständnis von Service, Beratung und Sortiment bei seinen Kunden an: Der Verkaufskanal Baumarkt ist inzwischen die größte Einzelsparte im Unternehmen und hat einen Umsatzanteil von 35 Prozent.

Daneben ist Seilflechter in den Absatzkanälen Wassersport-Fachhandel, Feuerwehr und Industrie – hier geht es beispielsweise um die Stromnetz-Sicherung – tätig. Um den Qualitätsanforderungen in diesen Segmenten gerecht zu werden, betreibt das Unternehmen einigen Aufwand und kann auf eigenen Anlagen die Bruchsicherheit bis zu einer Bruchlast von 70 t testen.

Um Wassersportprodukte auf ihre Praxistauglichkeit zu testen, geht das Unternehmen aus Braunschweig – wo es ja bekanntlich kein Meer gibt – einen anderen Weg: Man kooperiert mit dem Ferienanbieter Robinson Club, stattet dessen Boote mit eigenen Seilen aus – „und wir bekommen direktes Feedback“, erklärt Halle. Schließlich seien die Seile dadurch hohen, weil dauerhaften Belastungen durch Sonne und Salzwasser über mehr als nur ein paar Monate im Jahr ausgesetzt.

Rund 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten im Unternehmen. Dazu gehören auch eigene Außendienstleute; im Ausland ist man teilweise durch Vertretungen präsent. Außer dem Stammpersonal ist am Braunschweiger Produktionsstandort auch eine feste Gruppe von Mitarbeitern der Lebenshilfe beschäftigt, die vor allem für das Labeln der Produkte eingesetzt werden. Über die Jahre wurden auch immer wieder einige dieser Mitarbeiter in die Festanstellung übernommen. „Bei uns wird Inklusion gelebt“, sagt der Braunschweiger Unternehmer Andreas Halle. „Das gehört einfach zu unserem sozialen Wertemaßstab.“

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