Transformation, der Übergang zum New Normal, die Bewältigung von Volatilität und Unsicherheit mit neuen Technologien und mit festen Werten waren die großen Themen, die den 10. Global DIY Summit Mitte Juni in Rom bestimmt haben, den die internationalen Verbände des Baumarkthandels und der Hersteller, Edra/Ghin und Hima, wieder gemeinsam organisiert haben.
Aber was ist dieser neue Zustand, der angeblich normal ist (oder sein wird)? Gibt es dann überhaupt noch einen Normalzustand? Und wie kann eine ganze Branche darauf reagieren? Es gab genug Diskussionsstoff in Rom.
Und es gab eine mehr oder weniger allgemeingültige Antwort: Kooperation, Zusammenarbeit, gemeinsame Standards sind ein Schlüssel, um mit der neuen Situation besser umgehen zu können. Das hat Thierry Garnier, Edra-Präsident und CEO von Kingfisher, schon ganz am Anfang klargemacht, als er in seiner Begrüßung noch einmal vehement für die von ihm angestoßene Taskforce zum Thema Scope 3 geworben hat.
Er und Hima-Präsident Reinhard Wolff riefen außerdem noch einmal die aktuellen Herausforderungen, insbesondere den Klimawandel und die Volatilität der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen, in Erinnerung.
Auf die Notwendigkeit, insbesondere in Sachen Klimaschutz und Scope 3 zusammenzuarbeiten, sollte Wolff im weiteren Verlauf des Kongresses noch einmal zurückkommen. „Wir müssen erfolgreich sein“, sagte er.
Rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind für den Summit nach Rom gekommen. Zu dem zweitägigen Kongress der internationalen Baumarktbranche hatten sich Entscheider aus der Baumarkt- und Gartenbranche aus 55 Ländern in allen Erdteilen angekündigt, darunter die Führungsriegen zahlreicher Baumarktbetreiber. „Embracing change in DIY – How to thrive in the never normal“ lautete das Motto.
Iñaki Maillard, der das Summit-Team leitet, griff diese hohe Internationalität für ein Bekenntnis zur Diversität auf. Er erinnerte außerdem an den Anfang vor 14 Jahren und sagte zu Edra-Geschäftsführer John Herbert: „Schau dich hier im Saal um und sieh, was du geschaffen hast: Glückwunsch!“ Ein Erfolgsgeheimnis dieser aus der Branche nicht mehr wegzudenkenden Veranstaltung liegt sicherlich darin: Sie versteht Networking als fundamental wichtig für die Zusammenarbeit – die im „Never Normal“ wohl wichtiger ist denn je.
Einen Ausblick auf die weltweite Wirtschaftslage bot Ira Kalish von Deloitte. Er sieht eine erstarkte US-Wirtschaft und eine schwächere Entwicklung in Europa, allerdings auch rückläufige Tendenzen in China. „Insgesamt ist mein Ausblick aber nicht so schlecht“, sagte er.
Einen Einblick in die Transformation, die Obi seit seiner Übernahme der Führung durchläuft, bot CEO Sebastian Gundel. Ihm sei klar, dass eine solche Transformation auch eine Transformation in der Unternehmenskultur bedeute, sagte er. Ein Kernbegriff seiner Rede war Partnerschaft. Konkret hob er hervor, dass Obi wieder auf das Franchising als Wachstumsmotor setzt, und dehnte den Begriff ausdrücklich auf die Lieferanten aus. „Wir müssen natürlich verhandeln, aber wir müssen auch zusammen wachsen“, rief er ihnen zu. „Partnering ist ein essentieller Wert für uns.“
Der Themenblock „The Never Normal“ behandelte den ständigen technologischen Wandel und stand unter dem Eindruck der neuesten Entwicklungen um Künstliche Intelligenz. Ken Hughes, der die Moderation übernahm, bediente sich dabei eines Bildes aus der Physik, bei der man gegen eine nach unten ziehende Kraft eine Gegenkraft aufbringen muss, um nicht hinabgezogen zu werden. Auf ähnliche Weise müssten Unternehmen heute einem ständigen technologischen Wandlungsdruck entgegenwirken.
Als Hauptredner trat der Tech-Unternehmer Peter Hinssen auf. Er erwartet eine der großen Entwicklungen in der Zukunft aus dem Bereich Bilderkennung in Zusammenarbeit mit KI. Um auch im Baumarktbereich solche technologischen Entwicklungen nicht zu verpassen und eigene Produkte voranzubringen, sei es notwendig, im Unternehmen eine Kultur des Probierens und offenen Scheiterns zu etablieren. Angesprochen auf die Frage, wie die im Saal versammelten Manager sich verhalten sollten, antwortete Hinssen, dass man sich nichts vormachen solle: „Sie sind nicht die Generation KI.“
Ein ständig präsentes Thema der Tagung war Scope 3. Das lag auch daran, dass sich zum Auftakt des Summit Herstellerunternehmen zu einer Taskforce zusammengefunden hatten, um parallel zur Taskforce der Händler daran zu arbeiten. Jamie Pitcairn von der Agentur Ricardo, die den Verband in dieser Sache berät, erläuterte die Roadmap dazu. Die anschließende Podiumsdiskussion zeigte, wie wichtig der Gedanke des Kooperierens dafür ist. Denn Philippe Guégan von Henkel merkte kritisch an, dass die Einkäufer aus dem Handel das Thema nicht immer oben auf ihrer Prioritätenliste haben.
Über agiles Denken in Zeiten des Wandels sprach Aidan McCullen von Edge Behaviour. Seiner Analyse zufolge leben wir nicht mehr in einer VUCA-Welt (Volatile, Uncertain, Complex und Ambiguous), sondern eher in einer BANI-Welt (Brittle, Anxious, Nonlinear, Incomprehensible).
Zum Abschluss des ersten Summit-Tages hielt der Gesundheitsexperte Christophe Jauquet einen Vortrag über das Zuhause und die für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden notwendige Investition darin.
Mit der Frage „Where to play?“ leitete Nick Stene von Euromonitor International den zweiten Kongresstag ein. Darin wurden ein Modell zur Inflationsprognose (Inflation Projection Tool) und der hauseigene 2024 DIY Opportunity Index vorgestellt. Laut letzterem lagen beispielsweise die Länder Großbritannien, die USA und die Niederlande 2024 an der Spitze, was die Möglichkeiten für die DIY- Branche angeht. Auf den weiteren Plätzen folgen die Vereinigten Arabischen Emirate (Platz 4), Indonesien (Platz 5), Spanien (Platz 6) und Australien (Platz 7). Deutschland lag beim Opportunity Index zuletzt hinter China auf dem 16. Platz.
Diesem Blick auf die weltweiten Branchenmöglichkeiten folgte ein Vortrag über die Marktbedingungen in den Vereinigten Staaten, vorgetragen vom Branchenexperten Craig Webb. Er gab einen Überblick über die vielfältigen Handelsformate in den USA – von Big-Box-Händlern bis zu kleinen Nahversorgern.
Duncan Simmonds und Bob Chermin vom Beratungsunternehmen OC&C machten sich über die Komplexität der Customer Journey Gedanken und brachten das Do-it-for-me ins Spiel. Mit der Energiewende komme eine neue Welle von Home-Improvement-Ausgaben in die Branche. Jacob Minah von Amazon stellte die Möglichkeiten vor, wie Unternehmen mit individueller Werbung auf der Plattform Amazon Prime ihre Reichweite erhöhen können.
Unter dem Titel „Creating a Culture“ blickte der Kongress zum Handelsunternehmen Mitre 10 auf der anderen Seite des Globus in Neuseeland. Das 1974 gegründete Unternehmen ist eine Kooperation mit zuletzt 84 Märkten. Laut CEO Andrea Scown versteht sich das Unternehmen als „eine Familie aus Familien“ und ist besonders stolz auf den respektvollen Umgang mit den Mitarbeitenden. „Es geht nicht nur um ein Geschäft, sondern um unser Leben hier“, sagte Scown.
Danach ging es zu United Hardware nach Irland. Die Kooperation betreibt mit mehr als 2.000 Mitarbeitern 160 Märkte in beiden Teilen Irlands und hat 2023 unter dem neuen CEO Paul Caldon eine grundlegende Umgestaltung erfahren, bei der aus zwei Einkaufsverbänden ein einziger wurde. Die aktuelle Wohnraumkrise biete enorme Möglichkeiten für den DIY-Handel.
Auf der anderen Seite des Atlantiks in Guatemala ist Cemaco Marktführer im DIY-Bereich. Darüber berichtete CEO und Mit-Inhaber Jonathan Nathesius. Im Kontrast zu den bereits vorgestellten Ländern schilderte er, dass in Guatemala ein großer Teil des Home-Improvement-Handels immer noch über geschätzt mehr als 8.000 kleine „informelle Stores“ laufe. Auch müsse man bedenken, dass in Guatemala noch viele Menschen in einfachen Verhältnissen leben. Gleichzeitig schaffe dies enorme Wachstumspotenziale. Inzwischen betreibt Cemaco 24 Märkte mit modernem Sortiment und topmodernem Auftreten.
Ebenfalls Thema auf der Summit-Bühne war ein neuer QR-Code von GS1, der von Mark Henkens, E-Commerce-Manager beim niederländischen Händler Hubo, vorgestellt wurde. Das neue System wird bereits bei Hubo eingesetzt und zeichnet sich dadurch aus, dass der abgedruckte Code je nach scannendem Gerät auf unterschiedliche Websiten verlinkt. So können Mobiltelefone von Kunden den gleichen Code scannen wie Lesegeräte von Mitarbeitern im Handel, erhalten aber jeweils unterschiedliche Informationen. Laut Henkens wird der neue Code im Jahr 2027 der neue Standard sein. „Der Countdown hat begonnen“, so Henkens.
Das hätte eigentlich ein schönes Schlusswort abgegeben – aber es gab noch eine Farewell Session, moderiert von Kayleigh Victoria Fazan von der International Retail Academy. Fazan berichtete von ihren Erfahrungen mit der Inklusion im Einzelhandel und wie diese der Schlüssel zur Verringerung der Personalfluktuation sein kann. Inklusivität sei auch bei der Schulung des Verkaufspersonals von entscheidender Bedeutung. Denn der Kunde müsse sich in seiner Customer Journey einbezogen fühlen – es sei entscheidend für die Kundenzufriedenheit.
Der 11. Global DIY Summit wird vom 11. bis 13. Juni 2025 in Lissabon stattfinden.
Michael Greiner/Rainer Strnad
DIY Retail Legacy Award
Cosimo Fadda ist der erste Preisträger des DIY Retail Legacy Award. Der Preis wurde ihm beim Gala-Abend in Rom verliehen. Cosimo Fadda hat das 1818 gegründete Unternehmen Cfadda zu dem gemacht, was es heute ist: das führende DIY-Handelsunternehmen auf Sardinien.
Laudator Marco Orlandelli zählte die Werte auf, nach denen der 84-jährige Cosimo Fadda sein Unternehmen geleitet hat, das er inzwischen an die fünfte Generation der Familie weitergegeben hat: Leidenschaft, Integrität, Engagement, Bescheidenheit. „Den Preis bekommen meine Familie und die Menschen, die bei uns arbeiten“, sagte der sichtlich gerührte Preisträger.
Dies ist die Langversion des Beitrags aus der Printausgabe diy 8/2024.