Vier Monate vor Beginn der Heimtextil-Messe, die vom 14. bis 17. Januar 2025 in Frankfurt stattfindet, luden die Veranstalter zu einem Preview der Trends für die Saison 25/26. „Seit über 33 Jahren stellen wir die Trends zur Heimtextil vor“, so Olaf Schmidt, Vice President Textiles & Textile Technologies. „Wir geben damit mehr als nur eine einfache Produktempfehlung. Wir wollen Geschichten erzählen und diese in konkrete Einrichtungsideen übersetzen.“ Für die nächste Ausgabe der Heimtextil-Trends hat sich die Messe Frankfurt neue Kuratoren ins Boot geholt, die genau diesen Anspruch haben. „Auch Textilien sind Geschichtenerzähler“, weiß Valentina Ciuffi, Mitbegründerin der Mailänder Designerplattform Alcova, die die Trendausstellung kuratieren wird. „Sie sind verwoben mit unserer Kultur und präsent in unserem Unterbewusstsein.“ Damit meint die Designexpertin etwa sprachliche Einflüsse mit Metaphern wie „Handlungen entfalten“, „eine Geschichte weiterspinnen“, „einen Gedanken einflechten“ oder „den Faden verlieren“. Außerdem tragen sie Erinnerungen, spiegeln Identitäten wider und dokumentieren gesellschaftliche Veränderungen. Das findet auch Schmidt: „Es geht nicht nur um Ästhetik, sondern auch um Inhalte, die den Finger am Puls der Zeit haben.“
Das verdeutlicht die Farbpalette der Heimtextil-Trends 25/26 sehr gut: Hier treffen natürliche, ungebleichte Töne auf dynamische, leuchtende Farben. Sie spiegeln das Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation wider. Dieser Kontrast soll für ein aktives Gleichgewicht stehen, das sich ständig weiterentwickelt – geprägt von Erneuerung, Wachstum und einer zukunftsweisenden Vision, die über bloße Nachhaltigkeit hinausgeht. Das brachte die Experten von Alcova auch zu dem Titel der kommenden Ausgabe „Future Continuous“. Er beschreibt die Kontinuität von Trends, die in der Vergangenheit beginnen und bis in die Zukunft reichen.
Bei ihrer Analyse beschäftigte sich das Team zunächst damit, was eigentlich ein Trend ist. Der Begriff kommt vom altenglischen „trendern“, was sich drehen oder rotieren bedeutet. „Trends sind nicht einfach plötzlich da und dann wieder vorbei. Sie drehen sich zyklisch und tauchen immer wieder auf“, so Ciuffi. Wer einen Trend wirklich verstehen wolle, müsse immer auch in die Vergangenheit blicken.
So erleben traditionelles Handwerk und Fasern wie Hanf, Jute, Flachs und Nessel aktuell ein Revival und treffen auf moderne Technologien, die ganz neue Designs ermöglichen. Die Stoffe erzeugen eine besondere Haptik, die im Kontrast zu der virtuellen Welt steht. Imperfektion sollte dabei kein Übel sein, betont Alcova-Mitbegründer Joseph Grima: „Es geht um eine neue Ästhetik, wir brauchen eine andere Art von Schönheit.“
Gleichzeitig wollen immer mehr Menschen, wenn sie einen Stoff berühren, auch die Geschichte dahinter erfahren: Das bezieht sich nicht nur auf Marketing mithilfe von Storytelling, es geht auch um Transparenz, die Herstellung und Herkunft des Stoffes sichtbar zu machen. „Kauft man im Supermarkt eine Banane, weiß man genau, aus welchem Land sie stammt. Bei Textilien wissen wir das meist nicht, das muss sich ändern.“
Christine Ladstätter, Managerin für Innovation bei dem Hersteller von Outdoor-Bekleidung Salewa, die von Alcova bei der Recherche für die Heimtextil-Trends interviewt wurde, weist auf einen weiteren Aspekt hin: „In den letzten Jahrzehnten hat sich ein Trend hin zu einer stärkeren Wertschätzung lokaler Materialien und Techniken entwickelt. Der Fokus liegt auf der Förderung der heimischen Landwirtschaft und dem Erhalt traditioneller Weidelandschaften.“
Die Tendenz zum Wiederkommenden findet sich auch in der vermehrten Nutzung von Recyclingmethoden in der Textilindustrie, die mit einer 2025 in Kraft tretenden Richtlinie der EU noch einmal einen zusätzlichen Schub bekommen hat. Janis Jefferies, eine Pionierin der Textilforschung, die in dem Trend-Booklet zur kommenden Heimtextil zu Wort kommt, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Heute stehen Textilien im Fokus einer neuen, nachhaltigen Denkweise: weg vom reinen `Recyceln, Reduzieren und Wiederverwenden´ hin zu einer regenerativen Landwirtschaft und einem Vokabular, das von `Wiederherstellen, Erneuern und Auffüllen´ spricht.“ Solch einen Ansatz verfolgt etwa das Projekt „Syntropic Materials“ der italienischen Designerin und Dozentin Eugenia Morpurgo. Das Ziel ist es, die Bodengesundheit und die Biodiversität zu verbessern. Sie fordert dazu auf, von erdölbasierten Materialien abzurücken, und warnt vor ökonomischen Modellen, die Wegwerfprodukte gegenüber langlebigen Alternativen bevorzugen.
Neben den Experteninterviews in gekürzter Fassung finden sich im Trend-Booklet 18 angesagte Farbtöne von Naturally Uneven Green bis End of Petrol und Imperfect Pink – visuell und sprachlich interpretiert von Alcova. Die Kuratoren inszenieren die aktuellen Entwicklungen auf dem Trend Space der Messe. „Es wird keine normale Ausstellung“, kündigte Ciuffi an. „Es geht um einen inspirierenden Erfahrungsraum.“ Wie dieser aussehen wird, erfahren die Besucher der Heimtextil in Halle 3.0. Die Schau im Januar lässt jedenfalls Interessantes und Ungewöhnliches erwarten – schließlich ist das Designerteam für seine Installationen an ungewöhnlichen Orten wie verlassenen Gebäuden oder alten Villen bekannt.
Dies ist die Langfassung des Beitrags aus der Printausgabe diy 12/2024.