Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH ECC Köln (links), informierte im Gespräch mit Oliver Lucas über die aktuelle Marktlage.
Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH ECC Köln (links), informierte im Gespräch mit Oliver Lucas über die aktuelle Marktlage.

HHG und IVG

Ohne Digitalisierung ist alles nichts

Auf dem DIY E-Commerce-Tag von HHG und IVG haben sich die Hersteller über das Onlinegeschäft informiert – und Tipps und Tricks mitgenommen.

Kann der Umstieg auf Omnichannel helfen, einer angespannten Marktlage zu begegnen? Ja, das kann er – da waren sich die Veranstalter des diesjährigen DIY E-Commerce-Tages in Köln einig. „Never waste a crisis“, betonte Moderator Oliver Lucas vom Beratungsunternehmen NFQ Solutions. Es sei wichtig, Krisenzeiten zu nutzen, um sich neu auszurichten. Impulse dazu gab die Veranstaltung des Herstellerverbands Haus und Garten (HHG) und des Industrieverbands Garten (IVG) mit Informationen und Erfahrungsberichten aus der Branche.  

2024 sei ein schwaches Jahr aus Verbandsperspektive, beklagte HHG- Geschäftsführer Norbert Lindemann. Man hoffe, wenigstens eine schwarze Null hinzulegen. Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH ECC Köln, ging sogar noch einen Schritt weiter: Die schwarze Null sei noch wohlwollend positiv. „Wir erleben eine unglaubliche Verunsicherung bei den Konsuenten. Die Preissteigerungen machen Angst“, so Hudetz. Mehr als die Hälfte der Befragten einer Schwerpunkt-Studie des IFH haben Angst, ihren Lebensstandard nicht halten zu können.

(Quelle: HDE-Konsummonitor)

Die Folge: Sie verzichten. Das trifft auch auf das Segment Heim und Garten zu. Der DIY- und Gartenmarkt stehe unter erheblichem Druck, bestätigen die Kölner. 2022 sei der Markt nur nominal gewachsen, 2023 und 2024 sei mit einem realen und nominalen Minus zu rechnen. Einbrüche habe es im zurückliegenden Jahr in allen Sortimenten gegeben, besonders unter Druck hätten aber die Baustoffe gestanden, so Hudetz weiter. „Die Baukonjunktur will nicht anspringen, die Zinsentwicklung gibt Anlass zur Hoffnung, aber Verunsicherung ist weiterhin da“ – damit benennt der Wirtschaftsexperte eines der fünf Stressthemen, die die Branche aktuell beschäftigen.

HHG
Die Veranstaltung fand vor Ort in Köln und online statt. (Quelle: Screenshot/HHG)

Das zweite ist die Kanalverschiebung hin zum Omnichannel-Handel. „Warum löst das Stress aus? Der Wechsel war extrem schnell.“ Da seien viele Händler nicht hinterhergekommen, berichtete Hudetz. Auch die Veränderung des stationären Handels nennt der Geschäftsführer als Stressthema. „Wir sehen hier keinen Raum für Nostalgiker.“ Damit meint er, dass die oft beschworene Rückkehr der Kunden in den stationären Handel eine Illusion sei. „Der Kunde ist verdammt anspruchsvoll geworden. Wenn er in einen Laden geht und das gesuchte Produkt dort nicht findet, ist das für ihn die schlimmste Customer Experience. Daher fährt er gar nicht erst los, wenn er nicht sicher sein kann, dass die Ware dort auch verfügbar ist“, weiß der Fachmann. Daran könnten auch Preisaktionen nichts ändern. Es geschehe zudem immer weniger, dass der Kunde sich vor Ort informiere und dann online (zu einem günstigeren Preis) kauft. „Online kann er sich inzwischen mindestens genauso gut informieren.“ Stationäre Händler müssten daher auch online sichtbar sein und den Kunden mit Konfiguratoren, Chats und weiteren Beratungstools bei der Produktauswahl unterstützen. Click & Collect, kurze Warte- und Lieferzeiten, Zuverlässigkeit, Möglichkeiten zum Online-Umtausch – an diesen Themen führe kein Weg vorbei.

(Quelle: IFH Geschäftsfeldanalyse DIY/Garten)

Ein weiteres Stressthema sind Plattformen. Auf sie entfallen in Deutschland laut ECC etwa 50 Prozent der Online-Umsätze. Während der Onlinemarkt in Deutschland stagnierte, sei Amazon Marketplace um 4,8 Mio. Euro gewachsen, weiß Hudetz. 60 Prozent Marktanteil von einem Player, der noch dazu in allen Produktkategorien präsent ist, das sieht der Experte als ein großes Problem an. Bei Plattformen wie Shein und Temu beruhigt er hingegen: Sie seien zwar in der Bekanntheit stark gewachsen, hätten aber ein Problem mit Kundenbindung. Zudem seien die Bedenken in Deutschland gegenüber solchen Plattformen sehr groß.  

Auch Nachhaltigkeit begleitet die Branche weiterhin. Immer mehr Menschen interessieren sich dafür, insbesondere die jungen Leute. Hier komme es darauf an, die Chancen zu sehen, so der ECC-Geschäftsführer. „Wir haben einen Gebrauchtwarenmarkt von 15 Mio. Euro. Das kann auch ein Geschäftsmodell sein.“ Ebenso seien Mietmodelle derzeit sehr beliebt. „Wir müssen in diesen Zeiten den Hoffnungsschimmer sehen: Für gute Unternehmen gibt es weiterhin einen Markt.“ Entscheidend sei, dass die Marke Strahlkraft besitze. „Es geht nicht um den Preis, es geht um Preis-Leistung.“ In seinen Augen ist es das, was Amazon so erfolgreich macht. Und: „Digitalisierung ist nicht alles, aber ohne konsequente Digitalisierung ist alles nichts.“ Sie dulde keinen Aufschub, insbesondere in solch herausfordernden Zeiten.  

Ähnlich sieht es auch Norbert Lindemann vom HHG: „Es gibt viele Potenziale im Onlinebereich, die wir noch nicht gehoben haben“, zeigte er sich optimistisch, merkte aber auch an: „Wir sind keine Fashion- oder FMCG-Branche“ – das sind Segmente, deren Produkte oft online gekauft werden.  

Teil 2 dieses Berichts mit vielen praktischen Beispielen folgt in der Dezember-Ausgabe des diy-Fachmagazins.

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