Vielfalt in Unternehmen fördern – diese Idee ist nicht neu. Die Charta der Vielfalt beispielsweise, eine Arbeitgeberinnen- und Arbeitgeber-Initiative mit dem Ziel der Selbstverpflichtung zum Diversity Management, wurde bereits im Dezember 2006 ins Leben gerufen. „Als Eigentümer eines kleinen Unternehmens bin ich überrascht, dass man das heute noch thematisieren muss“, sagt daher auch Michael Caspar, Inhaber der auf digitalen Tapetendruck spezialisierten Manufaktur Caspar GmbH und Vorsitzender des VDT (Verband der Tapeten). „Für mich und meine Firma ist es seit Jahren gelebte Realität, dass wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter völlig unabhängig behandeln, beurteilen und beschäftigen.“ Hört man sich in der Branche um, ist er nicht der Einzige mit dieser Meinung. Zahlreiche Baumarktlieferanten geben an, Diversität sei für sie alltäglich und nichts, was einer besonderen Erwähnung oder Aufarbeitung bedürfe.
Ist Diversity also noch ein Thema? Laut dem German Diversity Index 2023 ist das Engagement deutscher Unternehmen in dieser Hinsicht noch ausbaufähig. Der Gesamtdurchschnitt liegt leicht unter dem Vorjahresdurchschnitt. Nur die Top 3 haben mehr als die Hälfte der möglichen Punkte erreicht. Die zwölf Unternehmen am unteren Ende des Rankings haben jeweils weniger als ein Viertel der möglichen Punkte erzielt. Das Ranking nimmt jedoch vor allem größere Unternehmen in den Blick, denn es bewertet das Diversitätsengagement der DAX-40-Unternehmen.
Etwas breiter aufgestellt ist da der Trendreport des Personaldienstleisters Randstad aus dem Jahr 2022. Und auch er liefert ein eher ernüchterndes Bild: Weniger als die Hälfte (46,9 Prozent) der schwerbehinderten Menschen zwischen 15 und 65 Jahren sind demnach erwerbstätig. „Vorurteile und Unwissenheit führen dazu, dass Personalverantwortliche nur selten Menschen mit Behinderung einstellen. Allzu oft wird bei der Auswahl der Mitarbeitenden der Fokus darauf gelegt, was Behinderte nicht können, statt zu sehen, wie sie Unternehmen bereichern“, sagt Hans Christian Bauer, Director Social Affairs bei Randstad.
Das haben etwa die Leuchtenexperten von IDV erkannt. „Wir lassen bestimmte Tätigkeiten wie umverpacken oder aussortieren von dem örtlichen Behindertenwerk ausführen“, berichtet Christoph Seidel aus dem Bereich Markt & Kommunikation. Man habe damit gute Erfahrungen gemacht.
Weitere Ergebnisse der Randstad-Umfrage: 61 Prozent der Beschäftigten in den untersuchten Unternehmen sind männlich und 38 Prozent weiblich. 43 Prozent der befragten Baby Boomer (zwischen 1946 und 1964 geboren) sehen ihr Alter als Nachteil, wenn es um Karrierechancen geht. In der Industrie rekrutieren 12 Prozent der befragten Unternehmen und im Handel sogar nur 8 Prozent mit einer Diversity-Strategie. Insbesondere mit Blick auf die Fachkräftegewinnung sieht Randstad hier vertane Chancen. Denn, so eine weitere Studie des Personaldienstleisters: Unter den Befragten aus der Gen Z geben 41 Prozent an, dass Diversität und Inklusion für sie eine große Rolle bei der Jobwahl spielen.
Einer ähnlichen Meinung ist man auch bei der Charta der Vielfalt: Das Thema Belegschaft werde in Zeiten des demografischen Wandels und des damit einhergehenden Fachkräftemangels immer entscheidender und Organisationen müssten kreativer auf diese Themen reagieren, um langfristig auf die Herausforderungen der Märkte erfolgreich reagieren zu können. Ebenso hätten Firmen eine geringere Fluktuationsrate, weil Mitarbeitende sich verstanden und in ihrer Vielfalt als Persönlichkeiten geschätzt fühlten. Gemischt zusammengesetzte Teams kommen laut den Diversity-Experten oft zu kreativeren und innovativeren Lösungen als homogene Gruppen. Ferner führten Wertschätzung und Anerkennung bei den Beschäftigten zu höherer Motivation.
Ein weiteres Positiv-Beispiel bietet der Malerwerkzeughersteller Storch-Ciret: Hier werden besonders junge Mitarbeiter gefördert. So auch Jacqueline Scherenberg, die seit 2020 im Unternehmen arbeitet und als Teamleiterin im Key-Account-Management für die Own-Label-Sortimente und den angeschlossenen Außendienst verantwortlich ist. Zu Beginn ihrer Karriere erhielt sie, damals noch im Sales Support tätig, die Möglichkeit, eigene Kunden als Junior Key Account Manager und dann als Key-Account Manager zu betreuen. Das interne Talentprogramm ermöglichte ihr nicht nur einen Auslandaufenthalt in England, „sondern auch zahlreiche Förderungsmaßnahmen, die meine berufliche Entwicklung vorangetrieben und mich auf meine neuen Aufgaben vorbereitet haben“, berichtet Scherenberg. Viele Kollegen seien wesentlich älter, aber es klappe ausgezeichnet. „Die Übertragung der Außendienstführung zeigt, welche Wertschätzung das Unternehmen in die Kompetenz von jungen Mitarbeitern hat“, ergänzt Bruno Niehl von der Agentur Sensation Consulting, die den Malerwerkzeughersteller berät.