Artur Wagners Vortrag war aufgebaut wie ein Computerspiel.  Level 1: die Analyse.
Artur Wagners Vortrag war aufgebaut wie ein Computerspiel.  Level 1: die Analyse.

HHG und IVG I Langfassung

Onlinehandel auf das nächste Level heben

Teil zwei des Berichts über den DIY E-Commerce-Tag von HHG und IVG: Die Experten am Rednerpult hatten zahlreiche Tipps und Insights dabei.

Storytelling prägte den diesjährigen DIY E-Commerce-Tag des Herstellerverbands Haus und Garten (HHG) und Industrieverbands Garten (IVG) in Köln – und zwar nicht nur in einigen Vorträgen, auch die Veranstaltung selbst verlief in einem Spannungsbogen. Der Gegner: Die aktuelle Marktlage. Der Held: Der Onlinehandel, begleitet von zahleichen Sidekicks, wie der Analyse, der Kundenorientierung, Automatisierung, Partnerschaft und Künstlicher Intelligenz. Nach einer Analyse der Marktlage durch Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH ECC Köln, die in der vergangenen Ausgabe des diy-Fachmagazins zu lesen war, folgten zahlreiche praktische Erfahrungsberichte und Anregungen.

So erläuterte Tim Böker, Chief Growth Officer bei der Ydeon Group, wie E-Commerce in der DIY-Branche funktionieren kann. Das Unternehmen verkauft Produkte für Outdoor-Projekte wie Spielgeräte und Gartenhäuser. Sein Geheimrezept: Radikale Kundenorientierung. Dafür hat sein Team zunächst den Garten- und DIY-Markt in Deutschland analysiert und ebenso, was Kunden auf Plattformen suchen, welche Bedürfnisse sie haben und wie der Wettbewerb auftritt. Dafür führten sie auch Umfragen bei den Menschen zuhause durch. Dabei fanden sie heraus: Jeder Onlineauftritt der DIY-Händler sah gleich aus, alle setzten darauf, immer mehr Produkte zu listen und den günstigsten Preis zu bieten. „Das ist nicht mehr zeitgemäß“, so Böker. Für den Kunden sei Convenience das entscheidende. Statt in Drei-Jahres-Plänen denkt Ydeon in Experimenten, skaliert und passt an.

Auf Analysen setzt auch XPLN. Das Unternehmen analysiert alle digitalen Touchpoints seiner Kunden, betrachtet Wettbewerber-Produktdaten und unterstützt dabei, Reviews im Blick zu behalten. Es arbeitet dabei mit datengetriebenen Automatisierungen und Alerts. Das soll den erforderlichen Personaleinsatz reduzieren, Geld sparen und ein einheitliches Markenerlebnis schaffen. Zu den XPLN-Kunden zählen etwa Gardena, Stihl, Festool, Severin oder Galaxus. „Viele Anbieter haben die Kontrolle über ihre Produktpräsentation verloren“, erläuterte Sebastian Klumpp das Problem. Er sehe immer wieder, dass zahlreiche Mitarbeiter damit beauftragt würden, manuell zu überprüfen, wie das Produkt am digitalen POS aussehe. „Man kann das gar nicht überall überwachen“, findet Klumpp und nutzt stattdessen eine KI-getriebene Analysesoftware, die dazu in der Lage ist, Produktdaten-Fehler zu erkennen, aus Reviews von Wettbewerbern Innovationen abzuleiten und Alarm zu schlagen, wenn Produktbewertungen unter vier Sterne rutschen.

HHG und IVG
Frederik Bücker (links) erklärte, welchen Nutzen die Unternehmen aus Online-Bewertungen ziehen können. (Quelle: Screenshot/HHG)

Auch für Frederik Bücker, Sales Director von Gominga, ist es elementar, Reviews im Blick zu behalten und darauf zu reagieren. Ein Großteil der Kunden erwarte eine Antwort auf eine Bewertung – selbst dann, wenn diese bei Amazon erfolgt. Das gelte auch schon vor dem Kauf: „Stellt der Kunde eine Frage zum Produkt und erhält keine Antwort darauf, bestellt er trotzdem und schickt es gegebenenfalls wieder zurück“, berichtete Bücker. Dadurch steige die Retourenquote. Ebenso sei es sinnvoll, Produktinformationen anzupassen, wenn immer die gleichen Fragen gestellt würden. Darüber hinaus böten Bewertungen die Chance für Verbesserungen im Sortiment. „Der Käufer ist gleichzeitig ein Tester“, führte der Verkaufsexperte aus. So habe ein Anbieter etwa wertvolle Tipps erhalten, wie er seine Astscheren ergonomischer gestalten könne, oder den Hinweis, dass der Sensor des Mähroboters bei Nässe nicht reagiere. Der Kunde werde somit vom Hobby-Handwerker zum DIY-Superhelden, so Bücker, der damit ebenso einen Vergleich mit der fiktiven Welt wagte wie CDO Artur Wagner von Braun Büffel:

Er erläuterte anhand eines Computerspiels den Weg des ehemals rein-stationär auftretenden Lederwarenanbieters hin zu einer D2C-Marke. Im ersten Level sei man mit der Analyse konfrontiert: Was macht das Unternehmen und jeder einzelne Mitarbeiter? Wo gibt es Optimierungspotenzial, etwa durch Automatisierung? In Level 2 gehe es darum, Legacy-Systeme an aktuelle Gegebenheiten anzupassen. In Level 3 habe man mit „externen menschlichen Herausforderungen“ zu kämpfen – den Händlern, die den Umstieg auf den Onlinehandel nicht akzeptierten. Diese gelte es zu überzeugen, etwa damit, dass sich die erhöhte Markenstrahlkraft durch einen gelungenen Onlineauftritt auch auf den stationären Handel auswirke. Der Endgegner ist für Wagner die zweifelnde Belegschaft im Haus. Ihr könne man vor Augen führen, wie sie von dem Umstieg profitieren können.

Einen ähnlichen Prozess hat auch Marcel Bewersdorf, Geschäftsführer Helmes Bewersdorf hinter sich. Er erklärte am Beispiel des Möbelhandels, wie man die Mitarbeiter bei der Transformation mitnehmen kann. So habe etwa ein Mitarbeiter, der sich aktiv mit Kunden beschäftigt hat, Provisionsanteile bekommen. Ebenso wichtig sei es, Grundlagen zu schaffen, damit alle mit neuen Technologien wie KI arbeiten können. Um Überforderung vorzubeugen gelte es, einen Schritt nach dem anderen zu gehen und wo möglich Prozesse zu automatisieren. Es sei auch nicht nötig, jeden Trend mitzumachen. Ein klares Erwartungsmanagement mit erreichbaren Zielen und auch Nicht-Zielen schütze vor Frustration.

Es gab auch einen Paneltalk mit einem Vertreter von Obi (links).
Es gab auch einen Paneltalk mit einem Vertreter von Obi (links). (Quelle: Screenshot/HHG)

Mit Steffen Maschke, Head of Partnermanagement Marketplace Obi, gab es einen weiteren Teilnehmer aus dem Handel. Der Baumarktbetreiber ist im Frühjahr dieses Jahres mit einem Marktplatz live gegangen. Er spreche jedoch lieber von Product Partnering, so Maschke. Denn Obi legt den Fokus auf Partnerschaften. Kunden können zum Beispiel online ein Carport kaufen und es von einem lokalen Partner-Handwerksbetrieb aufbauen lassen. Der Marktplatz bietet ergänzendes und erweiterndes Sortiment wie sperrige Güter, oder schwer händelbare Ware. Zudem wolle man in der Tiefe des Sortiments weiter gehen, so der Marktplatz-Experte. Er betonte, dass Obi nicht wie Otto oder Amazon werden wolle. „Wir wollen im DIY, Home and Garden bleiben.“

 

Wir wollen im DIY, Home and Garden bleiben.
Steffen Maschke, Head of Partnermanagement Marketplace Obi

Über einen Online-Marktplatz verkauft auch Walmart. Dieser hat sich nun auch für deutsche Verkäufer geöffnet. Justin Oakes, Senior Manager vom International Marketplace Development bei dem Händler, erklärte, was den Marktplatz ausmacht und verdeutlichte die Vorteile einer Partnerschaft.

Weitere Themen der Veranstaltung waren Künstliche Intelligenz (KI) und Social Media. So sei KI etwa dazu in der Lage, ein defektes Produkt zu erkennen, um Retouren zu vermeiden, erklärte Lars Strojny, Senior Consultant bei NFQ Solutions. Er ist überzeugt, dass die Geschwindigkeit und Kompetenz von Künstlicher Intelligenz weiter zunehmen werden. Produkte würden künftig immer häufiger von intelligenten Maschinen verkauft und auch die Beratung könne KI übernehmen. Social-Media-Experte Hendrik Unger erklärte den Teilnehmern des E-Commerce-Tages, dass jeder Kunde während der Customer Journey verschiedene Phasen durchläuft. Es sei wichtig, den Nutzer am jeweiligen Touchpoint gezielt anzusprechen, einen Stammkunden etwa anders als einen Neukunden. Viele Strategien zielten nur auf kaufbereite Kunden ab, nannte er eine Problematik. Zunächst sei es jedoch wichtig, mit kurzen, niederschwelligen Videos oder Storys erst einmal die Sichtbarkeit zu erhöhen. Während der Angesprochene über Kauf nachdenkt, könne man relevante Informationen vermitteln und die Anwendung demonstrieren. Finale Impulse, um den Kaufabschluss herbeizuführen, sind beispielsweise emotionale Produktbilder oder Rabatte. Für die Beziehungspflege eigne sich ein Newsletter oder die Weiterempfehlung. Beim Marketing, insbesondere auf Sozialen Medien, gehe es nicht nur um Produkte, sondern um Geschichten, die dahinterstehen, betonte Unger und spannte damit den Bogen zurück zum Thema Storytelling.

Dies ist die Langfassung des Beitrags aus der Printausgabe diy 12/2024.

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