Unternehmen geben mitunter viel Geld für Werbekampagnen aus, teilweise erfolgreich, teilweise werden aber auch riesige Summen einfach so in den Sand gesetzt. Dass die Verantwortlichen deshalb nach Möglichkeiten suchen, den Erfolg von Werbekampagnen zu steigern oder doch zumindest einigermaßen sicher zu stellen, die vorhandenen Ressourcen effektiv einzusetzen, liegt auf der Hand. Ein relativ neuer Ansatz, der Besserung verspricht und seit einigen Jahren kontrovers diskutiert wird, ist das Neuromarketing. Entstanden ist dieser Ansatz mit der Entwicklung der modernen Hirnforschung, die versucht mit Hilfe der sogenannten bildgebenden Verfahren das Reiz-Reaktionsschema des Menschen zu entschlüsseln. Markentechniker, seriöse wie unseriöse, versuchen die Erkenntnisse der Wissenschaft zu nutzen, um die Reaktionen von Endverbrauchern auf Anzeigen, Verpackungen oder die Gestaltung des POS zu messen, bevor sie zum Einsatz kommen, und damit von teilweise unzuverlässigen Methoden wie der klassischen Befragungen wegzukommen. Doch der anfänglichen Euphorie folgte längst eine gewisse Ernüchterung. In zahlreichen Veröffentlichungen wurden die Grenzen von Techniken wie der Magnetresonanztomographie (MRT) aufgezeigt. Die Wissenschaft, das sei der Fairness halber hinzugefügt, hat an den Grenzen der noch jungen Forschungsrichtung eh nie einen Zweifel gelassen. Von der Entdeckung des Kaufbuttons ist das Marketing also auch in Zeiten der Hirnforschung weit entfernt. Doch muss man das Kind gleich mit dem Bade ausschütten? Einmal im Jahr findet in München der Neuromarketingkongress statt, der regelmäßig ausgebucht ist und allein aufgrund der hochkarätigen Besetzung mit Wissenschaftlern und Marketingpraktikern einen hohen Informationswert bietet. Auch Vertreter von bekannten Firmen aus der DIY-Branche sind dort anzutreffen, manche haben ihr Marketing bereits auf den Grundlagen des Neuromarketings neu konzipiert. Der Ansatz, der auf dem Kongress, durchaus auch kritisch, verfolgt wird, ist der Paradigmenwechsel weg von einer rationalen, rein auf Information setzenden Werbekommunikation hin zu einer multisensorischen emotionalen Ansprache der Zielgruppen. Dieser Ansatz hat ohne Zweifel seine Berechtigung. Denn er eröffnet neue Perspektiven und damit auch die Möglichkeit, abgegriffene Konzepte den sich entwickelnden Ansprüchen der Endverbraucher anzupassen – auch wenn nach wie vor die wichtigen Erkenntnisse nicht von der Hirnforschung geliefert werden, sondern von den klassischen Sozialwissenschaften. Harald Bott Download: Des Kaisers neue Kleider? (PDF-Datei)