Laut einer Untersuchung des weltweiten Kreditversicherers Allianz Trade lag die gefühlte Inflation in Deutschland zuletzt bei 18 Prozent. Damit gehe die gefühlte und die tatsächliche Inflation derzeit so weit auseinander wie zuletzt bei der Euro-Einführung vor mehr als 20 Jahren.
„Die gefühlte und die tatsächliche Inflation klaffen insbesondere in Deutschland weit auseinander“, erklärt Jasmin Gröschl, Senior Volkswirtin bei Allianz Trade. Während die gefühlte Inflation in der Eurozone mit fast 17 Prozent um ungefähr neun Prozentpunkte über der tatsächlichen Teuerung liegt, komme Deutschland mit 18 Prozent gefühlter Inflation auf elf Prozentpunkte mehr als die ausgewiesene Rate. „Das ist nicht unerheblich, denn die gefühlte Inflation beeinflusst das Handeln der Verbraucher stark, zum Beispiel beim Kaufverhalten", so Gröschl weiter. Die Diskrepanz spiele gerade für Wirtschaft und Unternehmen sowie für die Zinspolitik eine wichtige Rolle.
Die Diskrepanz hat laut den Autoren verschiedene Gründe. Verbraucher achteten demnach beispielsweise stärker auf Preisänderungen bei häufig anfallenden Einkäufen wie Lebensmittel und Getränke, Kraftstoff oder sonstigen Besorgungen im Supermarkt. Wenn dort diese Preise überdurchschnittlich steigen, neigten die Menschen dazu, eine wesentlich höhere Teuerung zu empfinden. Aber auch psychologische Aspekte, demografische und regionale Unterschiede, und individuelles Konsumverhalten können dazu führen, dass Verbraucher den Preisanstieg anders beurteilen als die offizielle Inflationsmessung, heißt es in der Studie. So entstehe ein verzerrtes Bild und eine starke Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen und tatsächlichen Inflation.
Aber nicht nur in der Wahrnehmung der Inflation bestehen laut den Autoren viele Unterschiede. In Europa sowie im deutschsprachigen Raum klaffen die Teuerungsraten weit auseinander: Die Inflationsrate in der EU lag zuletzt bei durchschnittlich über 8 Prozent. In der Eurozone lag die Teuerungsrate im Mai bei 6,1 Prozent. Dabei fällt die Inflation in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aus. Im Mai 2023 reicht die Spanne von 2,8 Prozent in Griechenland bis 13,0 Prozent in Polen und 21,5 Prozent in Ungarn.
„Schlüsselfaktoren bei der Inflation sind die geografische Nähe zu Russland, die Abhängigkeit von Energie- und Lebensmittelimporten, staatliche Eingriffe zur Senkung einzelner Preise und die Stärke der jeweiligen Währung“, so Gröschl.