Der Online-Versand Amazon lässt weiterhin neuwertige Ware, beispielsweise Elektro-Artikel, vernichten. Das sollen unter anderem Bildaufnahmen belegen, die dem ARD-Magazin Panorama (NDR) und der Wochenzeitung Die Zeit vorliegen. Greenpeace hatte einen Rechercheur in das Amazon-Logistikzentrum im niedersächsischen Winsen eingeschleust. Er hatte dort im Auftrag der Umweltorganisation mehrere Wochen gearbeitet und die Vorfälle dokumentiert. Panorama und Zeit haben die Greenpeace-Recherchen anhand eigener Quellen überprüft.
Die Aufnahmen und Aussagen zeigen laut Panorama und Zeit unter anderem Amazon-Beschäftigte, die originalverpackte Ware aus der Verpackung holen und sie in die jeweiligen Müll-Paletten sortieren. Die Arbeitsbereiche seien als "Destroy-Stationen" gekennzeichnet. Allein aus dem Lager in Winsen soll mehrmals im Monat Neuware abgeholt und zu einem Entsorgungsunternehmen gebracht werden, das die Ware verbrennt oder zu Putzlappen verarbeitet.
Langzeitlagergebühren zu hoch
Vernichtet wird nach Informationen von Panorama und Zeit vor allem nicht verkaufte Ware von Dritthändlern. Amazon biete ihnen die Entsorgung an, wenn etwa ihre Waren über einen bestimmten Zeitraum hinweg nicht verkauft wurden. Man müsse die Artikel bei Amazon binnen einer gewissen Zeit verkaufen, weil sonst hohe Langzeitlagergebühren anfielen, sagt auch Christian Pietsch, dessen Unternehmen über Amazon Lederwaren anbietet. Eine öffentlich zugängliche Preisliste von Amazon für Dritthändler, „gültig ab April 2021“, belege das. Dem Dokument sei auch zu entnehmen: Amazon erhebt für die Entsorgung eine Gebühr.
Amazon bestreitet laut Panorama und Zeit die Vernichtung von Neuwaren nicht. Man arbeite aber daran, möglichst gar keine Produkte zu deponieren. „Nur, wenn wir keine andere Möglichkeit mehr haben, geben wir Artikel zum Recycling oder zur Energierückgewinnung, oder als allerletzte Option, zur Deponierung“, so das Unternehmen. Es handele sich dabei um wenige Produkte.
Gesetz zur Obhutspflicht stockt
Amazon steht wegen der Entsorgung von Neu- oder Retourware nicht zum ersten Mal in der Kritik. Eine sogenannte Obhutspflicht sollte Abhilfe schaffen, damit neuwertige Produkte nicht einfach im Abfall landen. Sie schreibt laut Gesetzestext vor, „beim Vertrieb der Erzeugnisse, auch im Zusammenhang mit deren Rücknahme oder Rückgabe, dafür zu sorgen, dass die Gebrauchstauglichkeit der Erzeugnisse erhalten bleibt und diese nicht zu Abfall werden“. Amazon nutze aus, dass es bisher an einer Rechtsverordnung zur Obhutspflicht fehle, weshalb keine Strafen verhängt würden, kritisiert Greenpeace.