Es ist kein Baumarkt, denn das Handelsunternehmen beschreibt sich in seiner eigenen Werbung so: „mehr als nur Baumarkt“. Es ist schon gar keine Baustoffhandlung, aber auch kein Fachhandel, denn dafür ist das Sortiment viel zu vielfältig. Hier gibt es vom Werkzeug bis zur Gelenkwelle für den Traktor praktisch alles, was man in Haus, Hof und Garten so braucht. Aber was ist Stabilo dann?
Fragen wir den Chef. Ulrich Abendschein leitet das Unternehmen zusammen mit seinem Onkel Günther Denner, der es 1975 gegründet hat, und er sagt: „Wir sind das Landkaufhaus.“ Was er damit meint, kann man seit Ende Februar sehr anschaulich in Lauda-Königshofen rund 40 km südwestlich von Würzburg sehen. Denn hier hat Stabilo einen neuen Markt eröffnet, von dem der Geschäftsführer sagt: „Die Größe ist optimal für unser Konzept.“
Rund 3.500 m² beträgt die Verkaufsfläche, davon rund 1.500 m² Gartencenter mit Kalt- und Warmhalle. Die wenigsten Stabilo-Standorte verfügen über eine so große Gartenabteilung; nicht zuletzt der Umstand, dass dies hier der Fall ist, ist für Stabilo ein Anlass, sich mehr mit dem Thema lebendes Grün auseinanderzusetzen.
Dass es in Lauda-Königshofen ein Gartencenter gibt, ist kein Zufall: Früher war das hier ein Obi-Markt. Stabilo hat den Standort von dem Obi-Franchiser Team SE erworben, der für diesen 1992 eröffneten Markt keine Zukunft mehr gesehen hat. Die Kommune, so berichten es die Stabilo-Verantwortlichen, wollte aber unbedingt weiterhin einen Baumarkt am Ort (als den sich Stabilo ja doch auch irgendwie versteht) und hat Stabilo deshalb nach Kräften unterstützt.
Seit März 2022 stand das Gebäude leer. Das Stabilo-Team hat es für seine Zwecke ertüchtigt, eine neue Beleuchtung mit LED eingebaut, die Fassade neu gestrichen – und das war es dann auch im Wesentlichen. Um es etwas salopp zu formulieren: Viel Schnickschnack brauchen sie hier nicht, um ihre Ware ordentlich zu präsentieren – die richtigen Leute jedoch schon. „Personalsuche war nicht einfach“, berichtet der Geschäftsführer, „aber wir haben ein hochmotiviertes Team gefunden, das den Markt toll eingerichtet hat.“
Aus Sicht des Unternehmens ist nicht nur die Größe optimal, um seine Version des ländlichen Nahversorgers am neuen Standort ganz im Norden Baden-Württembergs zu etablieren, sondern auch das ländlich geprägte Einzugsgebiet. Lauda-Königshofen hat rund 14.000 Einwohner. Der neue Markt schließt eine Lücke zwischen den Stabilo-Standorten in Schrozberg und Hardheim; es ist der erste im Main-Tauber-Kreis.
„Es gibt nicht viele Handelsunternehmen, die so etwas können: mit einer Standardgröße von 2.000 bis etwas über 3.000 m² und einem Umfeld mit 15.000 Einwohnern einen Markt profitabel betreiben“, sagt Abendschein. „Das ist die Nische, in der Stabilo sich bewegt.“
Diese Nische kennt Stabilo, denn der ländliche Raum ist die Heimat des Unternehmens. Seinen Hauptsitz hat es schon immer und nach wie vor im Ortsteil Mangoldsall der Gemeinde Kupferzell, einer Verbundgemeinde mit 6.500 Einwohnern. Die Verwaltung ist allerdings auf mehrere Standorte verteilt, einer davon in Duisburg, wo Stabilo einen ehemaligen Praktiker-Standort übernommen und inzwischen seine IT-Abteilung angesiedelt hat.
Die Übernahme von insgesamt sechs Praktiker-Märkten war übrigens auch der Anlass dafür, dass Stabilo ins Pflanzengeschäft eingestiegen ist. Denn diese Standorte verfügten über angeschlossene Gartencenter. Inzwischen sagen sie bei Stabilo: Dieses Geschäft ist wichtig, um andere Kundengruppen – gemeint sind insbesondere Frauen – anzusprechen.
Lauda-Königshofen ist der 47. Standort des Unternehmens. Wie alle Märkte befindet sich auch diese Immobilie im Eigentum des Händlers. „Wir gehen nur dahin, wo wir überzeugt sind, dass es funktioniert“, sagt Ulrich Abendschein. Also wird nicht erst gemietet und getestet.
Wenn das Stabilo-Team weiß, was ein solcher Standort seinen Kunden bieten muss, um wirtschaftlich zu sein, dann weiß es auch, was er nicht bieten muss. Einige Sortimentsbereiche, die von einem Baumarkt üblicherweise erwartet werden, gibt es hier nicht. Insbesondere lässt man bei Stabilo die Finger von Tapeten, Teppichen, Gardinen oder Bodenbelägen, auch Baustoffe sind nicht im Sortiment. „Wir haben eine sehr gute Logistik für unsere Eigenmarken“, meint der Stabilo-Chef. „Aber darüber jetzt Baustoffe zu ziehen, wäre nicht sinnvoll.“ Auch bei Fliesen beispielsweise sieht man das im Unternehmen so: Da habe man eben nicht die Kompetenz – wie bei allem, was mit Trends und Moden zu tun hat. Also lässt man es.
Dagegen werden die Maschinen, um Baustoffe zu ver- und bearbeiten, sehr wohl angeboten, und zwar auch schwergewichtige Exemplare wie beispielsweise Betonmischer oder Rüttelplatten. Denn die Kette will nicht nur Heimwerker oder Gartenbesitzer ansprechen. Die Zielgruppe ist weit größer und definiert sich aus dem ländlichen Einzugsgebiet: Land- und Forstwirte gehören ebenso dazu wie Winzer und Handwerker, und diese Kunden fragen eben auch die bereits erwähnten Gelenkwellen, Frontladerzinken oder Heckcontainer für den Traktor nach. Einen sehr großen Teil dieser Sortimente deckt Stabilo mit seinen Eigenmarken ab.
Zusätzlich dazu wird ein ergänzendes Sortiment im eigenen Online-Shop angeboten. Hier verkauft der Nahversorger zum Beispiel Dinge wie einen Gastro-Gasbräter oder eine Motorrad-Hebebühne – und das sehr erfolgreich: Der Online-Anteil am Umsatz liegt deutlich über dem der großen Baumarkt-Konkurrenten. Dabei gilt eine feste Regel: „Wir kannibalisieren nicht unser Sortiment durch die Preise im Internet.“
Den gesamten Stabilo-Produktmix beschreibt Ulrich Abendschein als „stabil und krisensicher“. Sein Beispiel: „Wenn die Leute sparen, dann fahren sie ihr altes Auto noch ein bisschen länger, dann muss man dran schrauben und geht nicht in die Werkstatt, sondern zu uns: Wir haben das Werkzeug und die Ersatzteile.“ Werkstatteinrichtung ist sowieso eine Art Spezialität, mit der Stabilo – große Flächen sind nötig, die Drehzahlen aber gering – umzugehen versteht. Oder das Beispiel Brennholzsäge und ähnliche Produkte: „Forst ist eine große Nische, die uns hilft, stabile Umsätze zu machen.“
Und wie passt die weiße Ware, die Stabilo ebenso im Markt präsentiert, in diesen Mix? Das sei sein Hobby, sagt Abendschein nur halb zum Scherz. In Wirklichkeit passt dieses Hobby bestens zum Konzept des Landkaufhauses. „In der Stadt“, weiß der Stabilo-Geschäftsführer, „gibt es immer einen, der das besser macht. Aber bei uns funktioniert auch weiße Ware – weil wir ländlicher Nahversorger sind.“
Rainer Strnad
Dies ist die Langversion des Beitrags aus der Printausgabe diy 5/2024