diy-Chefredakteur Dr. Joachim Bengelsdorf (links) und Redakteurin Laura Rinn (rechts) übergaben den Preis für das Produkt des Jahres an Patrick Spachmann von der Alfred Kärcher Vertriebs-GmbH. 
diy-Chefredakteur Dr. Joachim Bengelsdorf (links) und Redakteurin Laura Rinn (rechts) übergaben den Preis für das Produkt des Jahres an Patrick Spachmann von der Alfred Kärcher Vertriebs-GmbH. 

Kärcher

Alles im gelben Bereich

Bei der Wahl zum Produkt des Jahres 2020/2021, Kategorie GARTEN, gewann Kärcher mit seinem Akku-Rasentrimmer. diy reiste für die Preisübergabe nach Winnenden und warf einen Blick hinter die Ziegelsteinmauern des Unternehmens. 

Winnenden ist Kärcher-Town – diesen Eindruck bekommt der Besucher bereits beim Einfahren in die Stadt. Auf eine Hauswand ist der Schriftzug „I love Kärcher“ gesprüht. Und bei der Fahrt durch die Straßen des Ortes blitzt immer wieder das typische Kärcher-Gelb oder -Anthrazit auf. Das scheint weniger verwunderlich, sobald man erfährt, dass sich auf das Stadtgebiet verteilt neben dem Hauptgelände auch eine Waschanlage, ein Outlet und die Vertriebszentrale für Deutschland finden. In dieser übergab die diy-Redaktion Anfang Oktober die Auszeichnung für die Wahl des akkubetriebenen Rasentrimmers LTR 18-30 Battery zum diy Produkt des Jahres 2020/2021 an Patrick Spachmann, Head of Marketing & Product Management bei der Alfred Kärcher Vertriebs-GmbH.  

Wir sind hier bewusst einen eigenen Weg gegangen. 
Patrick Spachmann, Head of Marketing & Product Management, Kärcher 

Akkugeräte für den Garten hat Kärcher seit 2019 im Sortiment, kabelgebundene Produkte für den „grünen Bereich“ gibt es seit 2006. Auch in Zukunft will der Hersteller die Gartenhelfer-Range weiter ausbauen. Denn der durch Corona verstärkte Trend zum Cocooning sei bei der Nachfrage nach Produkten rund ums Haus weiterhin spürbar, ist sich Spachmann sicher. Ebenso setzen die Winnender weiter auf das Thema Akku. Kärcher-Chef Hartmut Jenner sei überzeugt, dass in fünf Jahren kein neues Produkt im Haushalt mehr kabelgebunden sein werde, so Spachmann. Eine Akku-Allianz ähnlich der von Bosch oder Metabo plane man auch weiterhin nicht, betont der Marketingchef. „Wir sind hier bewusst einen eigenen Weg gegangen“, unterstreicht er und verweist auf daraus entstandene Stärken, wie die Echtzeit-Technologie: Ein integriertes LCD-Display zeigt den Ladezustand, die Restlaufzeit oder Restladezeit in Minuten an. Zudem lassen sich die Akkus aus den Geräten für Privatanwender ebenso in den Profiprodukten einsetzen – und umgekehrt.

Blick in das Soundlabor: Hier wird jedes Produkt mindestens einmal hinsichtlich seiner Lautstärke und seines Sounddesigns überprüft. 
Blick in das Soundlabor: Hier wird jedes Produkt mindestens einmal hinsichtlich seiner Lautstärke und seines Sounddesigns überprüft. 
Im Materiallabor lassen sich verschiedene Kunststoffe mithilfe eines Pendeltests hinsichtlich ihrer Qualität vergleichen.   
Im Materiallabor lassen sich verschiedene Kunststoffe mithilfe eines Pendeltests hinsichtlich ihrer Qualität vergleichen.   
Die Umstellung auf den Einsatz von 3-D-Druckern im Jahr 1998 brachte dem Unternehmen eine enorme Zeitersparnis.
Die Umstellung auf den Einsatz von 3-D-Druckern im Jahr 1998 brachte dem Unternehmen eine enorme Zeitersparnis.
In den Produktionsstätten finden sich unterschiedliche Automatisierungsgrade. 
In den Produktionsstätten finden sich unterschiedliche Automatisierungsgrade. 

Auch die Nachfrage nach Reinigungsgeräten für den Innen- und Außenbereich stieg seit 2020 an. Ein Grund sei das pandemiebedingt wachsende Hygienebedürfnis, sagt David Wickel-Bajak, Leiter Kommunikation bei Kärcher. Das laufende Jahr bliebe aber aufgrund der Störungen in der Lieferkette insgesamt herausfordernd, fügt er hinzu. So hat die Branche aktuell aufgrund von Materialmangel und fehlenden Transportmöglichkeiten mit enorm gestiegenen Preisen für Container und Vorprodukten wie Holz, Stahl oder Chips zu kämpfen. Als Resultat haben viele Unternehmen Preissteigerungen angekündigt, können manche Produkte nicht mehr liefern und mussten mancherorts sogar die Produktion zeitweise einstellen. Kärcher sei 2020 noch gut lieferfähig gewesen, berichtet Spachmann, doch in diesem Jahr könne man nicht mehr allen Anfragen sofort nachkommen. Um diesen Problemen vorzubeugen, ist es hilfreich, dass das Unternehmen einen Teil der Komponenten selbst produziert. Auch der Fokus auf eine möglichst regionale Beschaffung ermöglicht Flexibilität.  

Darüber hinaus erweitert der Anbieter aktuell das Logistikzentrum in Obersontheim und baut ein neues Hochregallager im Werk Bühlertal. In seinen Produktionsstätten setzt Kärcher auf unterschiedliche Automatisierungsgrade. Auch das soll Flexibilität bieten. Betrachtet werden unter anderem Stückzahlen oder Variantenreichtum eines Modells, erläutert Wickel-Bajak bei einem Rundgang am Winnender Stammsitz durch die Werkshalle für Scheuersaugmaschinen. Hier wurden einige Elemente aus der Industrie 4.0 integriert. Diese sollen es ermöglichen, dass Produkte in verschiedenen Varianten und mit unterschiedlichen Ausstattungen effizient montiert werden können. Materialwägen sind entlang einer Produktionslinie aufgereiht. Mithilfe von Receivern und RFID-Chips erkennt das sogenannte Pick-by-light-System, welches Material benötigt wird und gibt ein Lichtsignal über dem entsprechenden Wagen ab. Der Monteur weiß dadurch genau, welches Bauteil eingesetzt werden soll. „Wir haben hier eine vollständig papierlose Produktion“, sagt Wickel-Bajak und spricht damit auch Kärchers Nachhaltigkeitsstrategie an. Diese sieht vor, dass ab 2021 alle Produktions- und Logistikstandorte weltweit CO2-neutral gestellt sind.  

In der Produktion in Winnenden wurden Elemente der Industrie 4.0 integriert. Man arbeitet unter anderem mit einem sogenannten Pick-by-light-System.
In der Produktion in Winnenden wurden Elemente der Industrie 4.0 integriert. Man arbeitet unter anderem mit einem sogenannten Pick-by-light-System.

Zudem wird ein Fokus auf Recycling gelegt. Recyklate werden beispielsweise in Strahlrohren und Saugdeckeln für Hochdruckreiniger verbaut. Man stehe hier noch am Anfang, ergänzt der Pressesprecher. Eine Herausforderung ist auch die Qualität der verschiedenen Kunststoffe. „Nicht jedes recycelte Plastik erfüllt die gewünschten Anforderungen“, erklärt er und verdeutlicht seine Aussage mithilfe eines Pendeltests im firmeneigenen Materiallabor. Während ein Kunststoffstück dem Stoß des Pendels nicht standhält und zerbricht, trägt das andere nur leichte Blessuren davon. In diesem Labor werden alle neuen Materialien geprüft, bevor sie zur Nutzung freigegeben werden. Auch bei Defekten, die nicht auf andere Weise erklärbar sind, ist das Materiallabor zuständig.  

Kärcher …

… wurde im Jahr 1935 in Bad Cannstatt gegründet. Zunächst wurden Produkte aus dem Bereich der Heiztechnik verkauft, ehe der Anbieter 1950 den ersten Hochdruckreiniger auf den Markt brachte. Gründer Alfred Kärcher wurde nur 58 Jahre alt, er verstarb 1959. Von da an übernahm seine Frau Irene die Geschäfte und richtete sie neu aus: Man sollte sich künftig vor allem auf die Produktion von Hochdruckreinigern konzentrieren. Seit 1974 ist Kärcher ein reines Reinigungsunternehmen. Der Hersteller machte oft mit großen Reinigungsprojekten auf sich aufmerksam: So brachte ein Team 1980 die Christusstatue in Rio de Janeiro auf Hochglanz. Die Reinigung der Kolonnaden in Rom brachte dem Unternehmen sogar einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde. 1984 stieg man ins Privatanwendergeschäft ein. Im Jahr 2013 wurde die Farbe der professionellen Geräte auf anthrazit umgestellt, um sie besser von denen für Privatanwender zu unterscheiden zu können.  

Heute beschäftigt Kärcher in 73 Ländern mehr als 13.500 Mitarbeiter, über 1.000 allein in der Forschung und Entwicklung. Die Belegschaft erwirtschaftete im Jahr 2020 mit 2,721 Mrd. Euro den höchsten Umsatz der Unternehmensgeschichte. 85 Prozent des Umsatzes wird außerhalb von Deutschland erzielt. Der Hersteller sieht Innovation als wichtigsten Wachstumsfaktor und wesentlichen Bestandteil der Firmenkultur an: Rund 90 Prozent aller Produkte sind fünf Jahre alt oder jünger.“

Zum Bereich Forschung und Entwicklung, in dem allein in Winnenden mehr als 650 Mitarbeiter beschäftigt sind, gehört auch ein Soundlabor. In dem vollständig schallisolierten Raum, der mit Schaumstoffkegeln und schallabsorbierenden Fliesen ausgekleidet ist, wird jedes Produkt mindestens einmal überprüft. Neben der richtigen Lautstärke wird dabei auch auf das passende Sounddesign geachtet. Während beispielsweise ein Staubsauger möglichst leise sein sollte, wünschte der Anwender bei einem Hochdruckreiniger eher einen satten Klang, erläutert Wickel-Bajak.  

Im Haus nebenan werden Prototypen mithilfe von 3-D-Druckern hergestellt. Kärcher hat diese Maschinen seit 1998 im Einsatz. Dadurch habe man in den vergangenen Jahren die meiste Zeit sparen können, berichtet Wickel-Bajak. Während die Prototypen zuvor noch per Hand geschnitzt und beschichtet wurden, was rund drei Monate in Anspruch nahm, lassen sich heute gleich mehrere komplette Komponenten in einem Druckvorgang innerhalb von knapp 30 Stunden erstellen. Pro Woche werden mehrere Hundert Bauteile für alle Bereiche des Unternehmens gefertigt. Mehr als 640 aktive Patente besitzt der Hersteller. Über 100 neue Produkte kommen jedes Jahr hinzu. Die Mitarbeiter in Kärcher-Town und rund um den Globus haben also weiterhin viel zu tun. 

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