Es gleicht der Quadratur des Kreises, sich als Unternehmen immer wieder selbst erfinden und dabei dennoch auch gleich bleiben zu müssen. Bei Obi heißt die Aufgabe, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer nicht die Balance zwischen einem eher konservativen Baumarktimage, kreativer Weiblichkeit und hippem Sturm und Drang zu verlieren und gleichzeitig am Markenkern festzuhalten, ja ihn möglichst zu stärken.
Der größte deutsche Bau- und Gartenmarktbetreiber feiert in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag. Und fast keiner kriegt es mit. Obi ergeht es damit ähnlich wie Bauhaus; die Mannheimer feierten ihren 60. Geburtstag und erst Ende des Jahres startete man die ersten Aktionen. Corona lässt in beiden Fällen grüßen.
Wie andere Baumarktbetreiber hält sich Obi im Jahr 2020 werbemäßig eher bedeckt. Lautes Triumphgeheul ist aus Wermelskirchen nicht zu vernehmen, auch wenn die Zahlen so gut wie nur Anfang der boomenden 1990er Jahre sind. Bescheidenheit im Auftritt – nicht schlecht. Denn schaden kann dies dem Markenkern von Obi eh nicht. Seit Jahrzehnten hat man das Gefühl, die Obianer können marketingtechnisch machen, was sie wollen (vieles richtig, manches auch falsch), die Marke Obi steht wie ein Fels in der Brandung. Dabei: Bei Obi für das Marketing verantwortlich zu zeichnen, ist keine ganz ungefährliche Position.
Gleichzeitig ist es aber erstaunlich, auf wie vielen Feldern Obi während seiner fünf Jahrzehnte Zeichen gesetzt und neue Wege geöffnet hat. Vieles, was wir heute wie selbstverständlich mit der Handelslandschaft verbinden, nahm seinen Anfang bei Obi: angefangen vom Franchising über neue Werbeformen, Promi-Sponsoring und China-Expansion bis zum Online-Shopping (Sie erinnern sich? Obi&Otto) und modernen Marktauftritten. Wenn es gelingt, Dynamik und Gelassenheit auch weiterhin miteinander zu verbinden, dann ist mir um Obi nicht bange.
Dr. Joachim Bengelsdorf