Joachim Bengelsdorf

Editorial

Wie jede Blüte welkt...

Dieses Heft hätte man auch ohne weiteres mit einer Titelgeschichte zu den aktuellen Entwicklungen in der "Causa Baumax" aufmachen können. Jedoch: Die Nachrichtenlage ist im Ganzen immer noch so diffus, die Verträge sind immer noch nicht offiziell, und eher Gerüchte bestimmen das veröffentlichte Meinungsbild als harte Fakten. Das ist für eine Titelgeschichte in diy einfach zu dürftig.
Eine Kommentierung der ganzen Vorgänge, wie sie sich bisher darstellen, mag aber erlaubt sein. Mit aller noch gebotenen Vorsicht scheint sich herauszukristallisieren, dass wohl primär Obi große Teile des ehemals, so man denn bereits die Vergangenheitsform benutzen darf, größten österreichischen Baumarktbetreibers einverleibt. Österreichische Hoffnungen bzw. Erwartungen, dass die Marke "Baumax" weiter bestehen wird, dürften sich als unrealistische Traumbilder herausstellen.
Aber diese Entscheidung wäre wohl auch nicht anders ausgefallen, wenn Bauhaus oder die Adeo-Gruppe zum Zuge gekommen wäre. Starke Marken wie Obi oder Bauhaus haben überhaupt keinen Grund dafür, eine bereits schwächelnde Zweitmarke weiterzuführen und zu entwickeln. Weshalb sollten sie? Es würden nur unnötige Kosten, Strukturen und Abläufe entstehen.
Doch mag es sein, wie es ist, betroffen und traurig schaut man auch aus deutscher Sicht auf das, was sich in Felix Austria gerade ereignet. Das Ganze hat ja auch etwas Dramatisches, hat auch eine poetische Kraft und passt zu dem, was man gemeinhin ebenfalls mit Österreich verbindet: Weltschmerz, Untergang, Tod (dass es darüber hinaus viel mehr gibt, ist auch selbstverständlich). Vielleicht hilft da auch tatsächlich die Poesie, um das aktuelle Geschehen zu begreifen. Nachfolgend das berühmte Gedicht "Stufen" von Hermann Hesse:"Wie jede Blüte welkt und jede Jugend / dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, / blüht jede Weisheit auch und jede Tugend / zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. /Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe / bereit zum Abschied sein und Neubeginne, / um sich in Tapferkeit und ohne Trauern / in andre, neue Bindungen zu geben. / Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, / der uns beschützt und der uns hilft, zu leben. // Wir wollen heiter Raum um Raum durchschreiten, / an keinem wie an einer Heimat hängen, / der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, / er will Stuf' um Stuf' uns heben, weiten. / Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise / und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen; / nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, / mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. // Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde / uns neuen Räumen jung entgegen senden, / des Lebens Ruf an uns wird niemals enden, / wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde."
Joachim Bengelsdorf
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