Der Wandel, den Ostendorf gerade durchläuft, war bei diesem Besuch Mitte Januar im Firmensitz in Coesfeld unübersehbar: Die zwischenzeitlich kahlen Wände wurden nach und nach mit farbenfrohen Bildern geschmückt, die die neue Strategie und den Wertekanon des Farbenherstellers zeigten – Kundenorientierung, Exzellenz, Verantwortung, Wertschätzung und ein auf die Zukunft ausgerichtetes Handeln prägen das Unternehmen schon seit vielen Jahren. Jedoch war es der Geschäftsführung wichtig, nach der Übernahme durch Fidelium Partners und der folgenden Neustrukturierung des Farbenherstellers einen Verhaltenskodex zu formulieren, um die Unternehmenskultur weiter zu stärken.
Nachdem J.W. Ostendorf seit 1948 als klassisches Familienunternehmen auf dem Markt aktiv gewesen war, wurde der Handelsmarkenspezialist 2018 Teil der Hempel-Gruppe. Im vergangenen Jahr dann wurden die Coesfelder wiederum vom Finanzinvestor Fidelium Partners übernommen. Auf der Reise zurück zum agilen mittelständigen Unternehmen wurde eine neue Unternehmensstruktur aufgebaut. „Unter Hempel waren die Strukturen konzernähnlich ausgerichtet und passten nicht immer optimal zu unserem Geschäftsmodell”, berichtet Milena Wenzel, die innerhalb des Konzerns für den englischen Hersteller Farrow & Ball gearbeitet hat und nun wieder zurückgekehrt ist, um den Bereich Unternehmenskommunikation zu betreuen. „Nun können wir unsere Strukturen auf unser Geschäftsmodell anpassen“, zeigt sie sich motiviert.

Auch unter den anderen Mitarbeitenden ist die Aufbruchstimmung spürbar, die die neue Struktur mit sich bringt. „Hier tut sich etwas“, sagt Werksleiter Marcel Sagolla bei einem Rundgang durch die Produktionshallen. Es gebe viele neue Köpfe im Management-Board, viel Bürokratie falle weg. „Die Wege sind nun deutlich kürzer, es gibt mehr direkte Kommunikation und die Schnittstellen laufen besser“, betont er. „Hier passiert wirklich etwas Positives“, schwärmt Sagolla. Der Fertigungsexperte weiß, wovon er spricht – denn er arbeitet bereits seit 27 Jahren in der Industrie und hat dadurch verschiedenste Unternehmen und deren Strukturen kennengelernt.
„Unser Team ist motiviert. Gemeinsam wollen wir uns am Markt als modernes und agiles Unternehmen positionieren“, sagt auch Jan Ostendorf, der als dritte Generation der Unternehmerfamilie das Unternehmen nun als Industrie-CEO führt und sich freut, dass zudem viele Ehemalige wieder zurückgekehrt sind. Dieses Gefühl von Familienunternehmen soll nun wieder in Coesfeld Einzug halten, unterstützt durch die neuen Eigentümer. Ein Operating Partner von Fidelium Partners, Phillip Wagner, sitzt dabei gleich im Büro nebenan – diese Kombination aus unmittelbarem Austausch und Ermunterung zur Eigenständigkeit ist etwas, das Ostendorf sehr schätzt, da sie eine schnelle Reaktion ermöglicht. „Wir wollen Geschwindigkeit aufnehmen, um das Unternehmen wieder auf die Beine zu bringen“, erklärt er.

Das spiegelt sich sehr gut in der neuen Strategie wider, die die Führungsebene seit der Übernahme entwickelt hat: MACH[EN]3 steht zum einen für die Geschwindigkeitseinheit Mach, die um ein Vielfaches schneller ist als der Schall, aber auch für aktives Handeln („Machen!“). Hoch drei symbolisiert den Fokus auf smartes Wachstum, Nachhaltigkeit und Effizienz. Smartes Wachstum will Ostendorf durch Bestandskundenentwicklung, Neukundenakquise und den Ausbau des Lohnfertigungsbereichs, also die Fertigung für andere Firmen, erreichen. Nachhaltigkeit ist kein neues Thema in dem Unternehmen, das sich unter anderem durch die frühe Einführung von wasserbasierten Anstrichmitteln einen Namen gemacht hat und seit Jahren mit Photovoltaik auf dem Dach und energiesparender Beleuchtung arbeitet. Die gesetzlichen Vorgaben des CSRD Reportings versteht JWO als Chance, um mittels Transparenz über den ökologischen Fußabdruck konkrete Verbesserungen anzugehen. Das Unternehmen setzt auf Ressourcenschonung, CO2-Reduktion und die Entwicklung gesünderer, konservierungsmittelfreier Produkte. Um eine höhere Effizienz – dritter Punkt – zu gewährleisten, sollen darüber hinaus Prozessoptimierungen, der strategische Einkauf und die Portfolioarbeit enger miteinander verknüpft werden.
Auch die Verbesserung von Prozessen ist für die Mitarbeitenden nichts Neues: Seit 2015 beschäftigen sie sich mit dem Thema Lean Management, welches die Bereiche Effizienz, Arbeitssicherheit und Qualität umfasst. Man halte sich dabei an das Lean-Management-Modell und nutze die Tools, die sich im Haus bewährt haben, erläutert Sagolla. Dazu gehören Markierungen am Boden und Shadowboards – Ordnungshelfer, die jedem Gegenstand durch dessen Schattenriss einen festen Platz zuweisen – , sowie Tafeln, auf denen die Mitarbeitenden notieren können, an welchen Stellen im Produktionsablauf es Handlungs- oder Optimierungsbedarf gibt. Die Belegschaft würde somit zum Tipp- und Hinweisgeber, denn sie kenne sich am besten aus, so der Werksleiter. Gleichzeitig bleibe sie im Austausch und fühle sich wertgeschätzt, merkt er an.

Ein wertschätzendes Miteinander ist auch für Jan Ostendorf ein wichtiger Punkt, den er im Gespräch immer wieder aufgreift: „Unsere Mitarbeiter sind unser Differenzierungsmerkmal“. Es komme auf Initiative und das Engagement jedes Einzelnen an, hebt der CEO hervor. Um sich bei ihnen für den tagtäglichen Einsatz zu bedanken, wird den Angestellten viel geboten: von einer hohen Flexibilität bei Arbeitszeitmodellen und mobilem Arbeiten über eine Kantine mit Frühstücks- und Mittagsangebot, einem betrieblichen Gesundheitsmanagement, das neben einem Sportprogramm auch ärztliche Untersuchungen und Beratung umfasst, gemeinsame Veranstaltungen und sportliche Events für Mitarbeitende und ihre Angehörigen, die das gesamte Jahr über stattfinden. Darüber hinaus werde sehr darauf geachtet, den Berufsanfängern schon früh Verantwortung zu übertragen und ein „Female Roundtable“ adressiert speziell die Belange der weiblichen Beschäftigten.

Die Wertschätzung gegenüber dem Handel drückt sich insbesondere durch eine langjährige, kontinuierliche und vor allem enge Zusammenarbeit ebenso wie durch einen hohen Dienstleistungsfokus aus. Über seine Tochterfirma FLT Handel und Service übernimmt Ostendorf etwa Umbauten, Einrichtungen sowie Regal- und Sortimentspflege, bietet Kundenschulungen und Abverkaufsunterstützung an. Die Coesfelder stehen in ständigem Austausch mit ihren Kunden und Partnern – sei es zu Bestandsmanagement und Forecasts, aktuellen Trends oder maßgeschneiderter Verpackungs- und POS-Gestaltung. Dabei setzt das Unternehmen neue Branchenvorgaben aus Brüssel oder Berlin frühzeitig um und trifft Entscheidungen stets mit Blick auf deren Nachhaltigkeit. An diese Stärken werden die Mitarbeitenden nun jeden Tag erinnert, wenn sie über die Flure der Firmenzentrale laufen und auf die neugestalteten Wände blicken, ergänzt um Bilder aus den Anfängen des Unternehmens, die ebenso motivierende Motive zeigen. „Wir waren schon immer ein Partner des Handels – und das bleiben wir auch“, betont Ostendorf.
Dies ist die Langversion des Beitrags aus der Printausgabe diy 3/2025