Erst wurden Sie zur Marke des Jahrhunderts ernannt, jetzt haben Sie bei den diy Produkten des Jahres gewonnen. Was bedeuten solche Preise für Sie?
Marcus Roth: Wir freuen uns darüber. Letztendlich ist es nichts anderes als unsere Arbeit – mit einem schönen Preis versehen. Und wenn dann der Preis auch noch von unseren Kunden kommt, ist das besonders schön. Das zeigt, dass Menschen in unserem Unternehmen einen guten Job gemacht haben.
Wie viele Produkte umfasst das Tubensortiment?
Aktuell sind es sieben bis acht, es kommt aber permanent etwas Neues hinzu. Wir haben erkannt, dass dort ein wirklich großer Bedarf ist. Reiniger in der Tube herzustellen, war für uns zunächst nur ein Test. Jeder kannte Rei in der Tube. Wir dachten uns, dieses Problem war ein super Problemlöser, der früher immer auf Reisen mitgenommen wurde. Das hat uns dazu inspiriert, selbst Reiniger als Problemlöser in Tuben zu entwickeln.
Lässt sich jedes Reinigungsprodukt auch in Tubenform verkaufen?
Nein. Wir haben lange dafür gebraucht, überhaupt Tuben zu finden, die so chemikalienbeständig sind, dass man sie mit unseren Rezepturen befüllen kann. Hinzu kommen rechtliche Dinge, es gibt zum Beispiel keinen passenden Kindersicherheitsverschluss. An solchen Themen arbeiten wir, um das Portfolio erweitern zu können.
Was ändert sich dadurch in der Herstellungsweise bzw. Rezeptur?
Für unsere Mitarbeiter war das Thema Tuben wirklich eine Herausforderung. Eine Flüssigkeit lässt sich nicht einfach in eine Tube packen. Die Stoffe müssen tixotropiert, also pastös gemacht werden und das ist nicht bei allen Bestandteilen möglich. Unser Labor hat alle Produkte neu entwickeln müssen. Deshalb hat die Entwicklung viel länger gebraucht als wir zunächst dachten. Die Tuben waren eine der ersten Ideen, die ich 2018 mit zu Mellerud gebracht habe. Erst Ende 2020 haben wir sie auf den Markt bringen können.
Sie haben auch Produkte für Caravaning und Pools im Sortiment. Müssen Produkte heutzutage mobiler, flexibler und einfacher anwendbar sein?
Wir müssen unsere Spezialreiniger den Ansprüchen der Endverbraucher anpassen. Der Kunde verlangt heutzutage oft ein Produkt, dass er an verschiedenen Stellen einsetzen kann, ohne, dass es ein Universalreiniger ist. Man kann nicht für jede kleine Nische ein separates Produkt entwickeln. Caravaning etwa ist insgesamt immer noch ein kleiner Markt. Man kann diese Produkte auch für ein Boot nutzen oder fürs Auto. Es ist nicht ganz so spitz positioniert.
Maik Bohne: Deswegen nennen wir es auch Freizeitsortiment.
Genau. So versuchen wir, Trends zu bedienen, ohne zu speziell zu werden. Denn dann bekommt man keine Drehzahl auf die Produkte und man hat im Regal des Handels keine Daseinsberechtigung.
Plädieren Sie mit Blick auf den Handel eher für Klein- oder Großfläche/Big Boxes oder ein Bestehen beider Formate?
Ich glaube, dass der Trend zu den besonders großen Formaten langsam abebbt, auch online-bedingt. Unsere Innenstädte werden sicherlich irgendwann mehr Baumärkte erleben. Wenn ich große Projekte habe, brauche ich Fläche und Volumen vor Ort. Habe ich aber einen kleinen Bedarf, möchte ich ungern 15 bis 20 Kilometer in den nächsten Baumarkt fahren, sondern will eine Art Tante-Emma-Baumarkt um die Ecke haben. Da sind in den vergangenen Jahren schöne Nahversorger-Konzepte entstanden.
Die Tuben machen Reiniger kleiner, handlicher und verbrauchen im Handel auch weniger Fläche.
Die Haushaltsgrößen werden immer kleiner. Oft ist ein Liter Reiniger zu viel, zum Beispiel wenn man allein wohnt. Die ein-Personen-Haushalte nehmen zu. Das ist ein Trend, den wir aufnehmen. Zudem hat man viele Probleme nur einmal. Etwa um einen Fleck zu beseitigen, braucht man nur eine kleine Menge. Und da geht es letztendlich hin.
Sehen Sie eine Entwicklung vom Denken in Produkten hin zum Denken in Projekten?
Ja. Wir sehen uns als Problemlöser. Dafür muss ich erst einmal das Problem des Kunden verstehen und ihm etwas an die Hand geben, womit er es einfach und gleichzeitig möglichst nachhaltig lösen kann. Manchmal geht das eine auf Kosten des anderen. Aus meiner Sicht benötigt man aber beides. Wenn ich kein einigermaßen nachhaltiges Produkt habe, wird es auf lange Sicht nicht am Markt bestehen können. Auf der anderen Seite darf es nicht zu kompliziert sein, sonst hat es auch keine Akzeptanz beim Endverbraucher. Das wird die große Herausforderung bei vielen Themen sein – es so convenient wie möglich zu machen und trotzdem nachhaltig zu sein.
Wie viel Wert legen Sie auf Wiedererkennbarkeit der Produkte?
Sehr viel Wert. Letztendlich ist das ja ein Kern, wie Mellerud zur Marke geworden ist – unsere viereckige Flasche mit dem roten Deckel. Diese markante Optik, die sowohl produktionstechnisch wie auch im Regallayout und in anderer Hinsicht viele Nachteile mit sich bringt, hat dazu geführt, dass man sich von den anderen Reinigungsmitteln unterscheidet. Die sind oft bauchig, geschwungen, mehr auf die Frau ausgerichtet. Wir sind gerade, kantig und ein bisschen anders.
Welche Präsentationsmöglichkeiten haben Sie für den POS entworfen?
Wir haben ein Display entwickelt, direkt zur Markteinführung. Da ist ein Aufsteller dabei, der die Produkte erklärt und dafür sorgen soll, dass die kleinen Tuben in der Masse nicht untergehen. Und es sind klassischerweise Produkte, die in der Kassenzone als kleine Problemlöser zum Mitnehmen präsentiert werden. Einen Etikettenentferner oder Rostentferner nimmt man schnell einmal mit.
Maik Bohne: Wir haben relativ neu auch ein Schütten-Display entwickelt, damit bekommt es ein bisschen einen Wühltisch-Charakter. Diese Präsentationsform wird sehr gut angenommen.
Sie legen Wert auf die Verknüpfung Ihrer On- und Offlinekanäle – spiegelt sich das auch im Auftritt am POS wider?
Wir haben rund 100 Anwendungsvideos erstellt, die Kunden künftig auf den Flaschen mit einem QR-Code abscannen können. Das haben wir mit eigenen Mitarbeitern gemacht, nicht mit Schauspielern. Beispielsweise aus unserem Labor: Die Experten, die das Produkt entwickelt haben, erklären, wie man es anwendet. Wir stellen über das Netz die Informationen bereit, die dann wiederum vom POS aus abrufbar sind. Damit kann sich der Endverbraucher selbst, aber auch der Verkäufer vor Ort schlau machen, welches das passende Produkt für den Kunden ist. Deshalb arbeiten wir daran, dass unsere Website immer top aktuell ist. On- und Offline werden zusammenwachsen. Man muss den Kunden überall mit gutem Content und Informationen unterstützen.
Welche Rolle spielen Onlinebewertungen für Sie?
Bohne: Es ist ein sehr großer Vorteil, weil man Rückmeldungen viel einfacher und schneller bekommt, ohne sie einzufordern. Darüber hinaus machen wir klassische Befragungen in den Märkten und haben eine Telefonhotline. Wir messen inzwischen alles, was uns die Kunden dort fragen – das haben wir früher nicht gemacht. Beim Endverbraucher geht es eher darum, an den Produkten etwas zu verbessern. Über unser normales CRM erhalten wir auch Feedback vom Handel. Dort hat man sehr schnell gesehen, wie wir die Produkte noch besser präsentieren können. Sie haben geraten: „Macht doch ein großes Display, das wir an der Kassenzone aufstellen können mit fünf Top-Produkten.“ Es ist schön, wenn man gemeinsam mit dem Handel die Platzierung optimieren kann.
Sind Sie mit dem Handel durch Krisen wie Corona oder dem Krieg in der Ukraine stärker zusammengewachsen?
Aufgrund der unglaublichen Vielzahl der Themen, mit denen sich beide Seiten auseinandersetzen müssen und der Häufigkeit der Preisanpassungen ist es aktuell etwas schwieriger. Jeder ist mit seinem Tagesgeschäft so sehr beschäftigt, dass wenig gemeinsame Sortiments-Weiterentwicklung stattfindet. Es geht um das gemeinsame Abarbeiten aktueller Herausforderungen.
Sind Sie noch in Russland aktiv?
Nein. Das haben wir relativ schnell entschieden. Es ist für uns aber auch ein relativ überschaubares Volumen. Bei existenzbedrohenden Größenordnungen trifft man so eine Entscheidung sicherlich nicht so schnell. Trotzdem tut es weh, Umsatz zu verlieren. Doch das ist unser kleiner Beitrag, damit die Menschen in Russland darüber nachdenken, warum sie bestimmte Ware nicht mehr bekommen. Wir können Zeichen setzen – nicht mehr und nicht weniger.
[Das ist die Langversion des Beitrags aus der Printausgabe 8/2022]