Wenn eine Wintertagung im Juni stattfindet, dann hat das Folgen: einerseits erzeugt das einen gewissen Terminstress, weil sich im Frühsommer die Branchentermine sowieso schon gedrängelt haben; andererseits kann man ein Get-together als entspannte Gartenparty feiern.
So hat es der Verband Deutscher Garten-Center (VDG) gehalten, dessen Mitglieder sich normalerweise im Januar treffen. Nun also fuhr man am Vorabend der in „Branchentagung“ umgetauften Netzwerkveranstaltung vom Tagungsort Leipzig aus aufs Land, um im idyllischen Gartencenter Voigt-Pflanzenhof einen lauen Sommerabend zu genießen.
Die Zeiten sind schließlich anstrengend genug, und die Verbandspräsidentin Martina Mensing-Meckelburg sprach die aktuellen Herausforderungen bei ihrer Begrüßung zur Tagung auch offen an: immer noch Corona, Preise, Warenverfügbarkeit, Inflation, Lieferketten, Krieg – „jetzt haben wir alles zusammen“, beschrieb sie die Lage. „Wir sind jetzt im neuen Normal, und es wird vielleicht zum Niemals-Normal werden.“ Ihr Vorschlag: „Die Lösungen in schwierigen Zeiten liegen im Miteinander”, appellierte sie an Händler und Hersteller. Ausdrücklich nannte Mensing-Meckelburg dabei auch das kritische Thema Preiserhöhungen. „Es geht nur, wenn man Vertrauen hat”, sagte sie. Eine Herausforderung liege für Gartencenter in diesem Jahr mit teilweise zu spät eingetroffenen Lieferungen darin, die Liquidität zu sichern.
Aus dem Jahr 2021 stellte Mensing-Meckelburg gute Zahlen der Branche vor. Wegen der Turbulenzen durch Corona vergleicht der Verband sie mit 2019. Fast alle Pflanzen-Warengruppen haben in diesem Zeitraum zweistellige Zuwachsraten erzielt. Am höchsten waren sie mit 53,7 Prozent bei Kräutern, Gemüse und Gewürzpflanzen. Der Bereich Baumschule hat um 25,5 Prozent zugelegt, Beet und Balkon um 24,5 Prozent. Die Kundenfrequenzen sind 2021 zwar im Schnitt um 6,5 Prozent zurückgegangen, dafür hat der Durchschnittsbon pro Kunde um 25 Prozent zugelegt.
Im laufenden Jahr lag bis einschließlich Mai nur die Floristik über den Umsätzen von 2021. Die Baumschulumsätze hatten dagegen einen Rückstand von 20,7 Prozent. Allerdings sieht auch bei den Fünf-Monats-Zahlen der Vergleich von 2022 mit 2019 durchweg positiv aus. Wieder liegen Kräuter und Gemüse mit einem Plus von 34,7 Prozent vorne. Zweitgrößtes Umsatzplus verzeichnet Beet und Balkon mit 15,1 Prozent. Lediglich Zimmerpflanze (plus 9,3 Prozent) und Baumschule (plus 5,1 Prozent) haben in den ersten fünf Monaten Wachstumsraten gegenüber 2019 im einstelligen Bereich.
Die Branchentagung war die erste Gelegenheit, um den „neuen“ VDG-Geschäftsführer Thomas Buchenau, der schließlich bereits seit Oktober 2020 im Amt ist, offiziell dem Verband vorzustellen. Gemeinsam präsentierten sie den Mitgliedern die neu erarbeitete Agenda des Verbands.
Hohe Bedeutung misst die Verbandsführung dem neuen Nachhaltigkeitskonzept bei, das sich an den von den Vereinten Nationen definierten Zielen orientiert. Zusammen mit dem Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) der Universität Witten/Herdecke soll mit zunächst zehn Pilot-Betrieben ein Konzept umgesetzt werden, das die Lieferketten in den Blick nimmt und Produkttransparenz schafft. Als Ergebnis soll es beispielsweise Rahmenverträge zur Klimabilanz, Schulungen und gemeinsame Lieferantenvorgaben geben.
In dieselbe Richtung geht auch das Engagement für ein europaweites System von Mehrwegtrays für den Pflanzentransport. Der VDG-Vorstand hat beschlossen, dass der Verband der Genossenschaft beitritt, in der auch Schwergewichte wie die Landgard und die Baumarktgruppen Obi und Toom mitarbeiten. Weitere Themen, mit denen sich der Verband auseinandersetzt, sind die Ausbildung sowie die Gartencenter-Akademie mit einer eigenen Reihe an Online-Schulungen und eigenen Ausbildungskonzepten.
Ergänzend zu den Informationen aus dem Verband waren zur Branchentagung wieder externe Referenten eingeladen. Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, sprach über die Digitalisierung des Einzelhandels. Er schlug bei seinem Blick über den Gartenzaun hinüber zum LEH einen weiten Bogen: vom steigenden E-Food-Marktanteil (laut GfK 12 Prozent bis 2030) über KI-basierte Handelstechnologien für 24/7-Stores ohne Personal bis zur digitalen Kundenkommunikation per Social Media.
Wenn man den puren Einkauf auch online erledigen kann, was ist dann der Mehrwert eines Geschäfts? Gartencenter, meint Rüschen, haben da durchaus etwas zu bieten: „Zeit, Freizeit, Entertainment – das macht schon Sinn.“
Im Kontext der Probleme, die auch Gartencenter dabei haben, Personal zu finden und zu halten, war der Vortrag von Anton Mooseder angesiedelt. Der Unternehmensberater entwickelt Modelle dafür, wie Arbeitszeiten attraktiv gestaltet werden können. Die Arbeit im Gartencenter habe das Potenzial, alle Kriterien einer guten Arbeit zu erfüllen, meinte er. Stets kam er auf die Grundfrage zurück: Wie können der Bedarf eines Gartencenters und die Bedürfnisse der Mitarbeiter zusammenfinden?
Einen bunten Akzent setzte der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach. Er schnitt eine Reihe wirtschafts-, sozial- und weltpolitischer Themen an. Sein Fazit: „Es ist immer noch ein Glück, in Deutschland leben und arbeiten zu können. Tragen Sie dazu bei, dass es so bleibt.“
Ein Plädoyer für Veränderung hielt Torsten Wehnert, der seinem eigenen Leben nach einer Karriere bis zur Position des Sales Director bei Black & Decker Deutschland eine Veränderung verpasst hat. In seinen Auftritten und Motivationsvorträgen kommt er insbesondere auf das richtige Verkaufen zu sprechen – essenziell für den Handel, denn: „Die starke Marke ist der Verkäufer.“