Seit dem späten 19. Jahrhundert, als die Bezeichnung „made in Germany“ noch ein Warnsignal der Briten auf schlechter Import-Ware war, ist viel passiert. Für viele Verbraucher steht das Siegel nach wie vor für Qualität, auch wenn es aufgrund schwammiger Regelungen in der jüngsten Zeit nicht immer ganz ohne Kritik war.
Und diese Kritik ist sicherlich nicht völlig unbegründet, wenn man bedenkt, dass das vermeintliche Qualitätssiegel doch auch für Waren genutzt werden konnte, die zum größten Teil im Ausland produziert wurden – solange die Endmontage in Deutschland stattgefunden hat. Diese Kritik beruht auf der Tatsache, dass das Offshoring – also die Verlagerung der Produktion in Schwellen- oder Niedriglohnländer, weg von heimischen Gefilden – besonders in den 1990er-Jahren seine Blütezeit hatte. Doch der Trend dahin flachte schon um die Nuller-Jahre herum ab, namhafte deutsche Hersteller wie Stihl holten ihre Produktionskapazitäten nach teils kurzer Verweildauer im asiatischen Raum wieder zurück nach Deutschland. Damit waren sie ihrer Zeit voraus, denn die vergangenen Jahre haben große Probleme der global ausgeweiteten Produktion aufgezeigt: Neben bereits bekannten Schwierigkeiten, wie Qualitätsabweichungen und kulturellen Unterschieden sowie sprachlichen Barrieren, brachen Lieferketten aufgrund der Blockade des Suez-Kanals oder gesperrter Häfen in China während der Corona-Pandemie teils völlig in sich zusammen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine befeuert diese Probleme derzeit noch weiter.
Zusätzlich dazu hat sich die Situation in den Offshore-Ländern geändert: Das wirtschaftliche Wachstum – auch geschaffen durch angesiedelte Offshore-Produktionsstandorte – hat unweigerlich das Lohnniveau erhöht, längst ist die Produktion nicht mehr spottbillig. Dazu explodieren derzeit Transportkosten unter anderem durch die weltweit gestiegenen Spritpreise, Schiff und Schiene erweisen sich nach wie vor als sehr zeitintensive Alternativen. All dies befeuert nun einen neuen Trend: Reshoring. Also zurück in die Heimat, zurück zu vertrauten Qualitätsstandards in Produktion und Ausbildung. Am 10. Februar 2022 berichtete bereits der mdr zum Thema und zitiert dabei die Ökonomin Dalia Marin, Professorin an der TUM School of Management der TU München. Diese stellte fest, dass rund 19 Prozent der Industrieunternehmen planen nach Deutschland zurückzuverlegen. 12 Prozent davon würden jedoch lediglich zu einem deutschen Zulieferer wechseln, die verbleibenden sieben Prozent wollen auch wieder am Standort Deutschland produzieren.
Ermöglicht wird diese Renationalisierung insbesondere durch den technologischen Fortschritt. Immer mehr Arbeiten können von Robotern erledigt werden, das senkt Personal- und Produktionskosten. Lieferkettenausfälle bei Just-in-time-Produktionen können vermieden werden, dadurch ergeben sich auch geringere Lagerhaltungskosten – so rechnet sich die Produktion im eigenen Land für Unternehmen wieder, die vergleichsweise teuren deutschen Arbeitskräfte sind wieder rentabel.
Doch auch die Rückverlagerung von Produktionskapazitäten ist nicht ohne Kritik. „Die Antwort auf die Pandemie kann mit Sicherheit nicht sein, alle internationalen Lieferketten jetzt zu renationalisieren“, wird Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel bereits Ende 2020 im Spiegel zitiert. Mit ihrer Einschätzung ist sie dabei nicht alleine: Forscher des Ifo-Instituts prognostizieren einen massiven Einbruch des Bruttoinlandsprodukts auf das Niveau von 1996 sowie starke Einbußen in der allgemeinen Wirtschaftskraft – insbesondere da der deutsche Arbeitsmarkt stark auf das Export-Geschäft gestützt ist: Laut mdr-Recherchen sind ein Viertel aller Arbeitsplätze in Deutschland mit dem Export verknüpft, in der Industrie sogar 50 Prozent. Zusätzlich dazu würden in den Offshore-Ländern unzählige Arbeitsplätze wegfallen, was dementsprechend schwerwiegende Folgen für die dortige Bevölkerung hätte.
Ob jetzt die große Reshoring-Welle kommt, kann wohl niemand so wirklich sagen. Lediglich die weitere Entwicklung der aktuellen Weltereignisse vermag dies zu beeinflussen. In einer zukünftigen, normalisierten Post-Covid- und Post-Ukrainekrieg-Welt können sicherlich auch globale Lieferketten wieder in bekanntem Umfang funktionieren.
Nichtsdestotrotz besitzt das Label „made in Germany“ nach wie vor Strahlkraft. Neben der Produktqualität ist oft auch die Anwendersicherheit der Waren höher, die hohen Arbeits- und Umweltschutzanforderungen in Deutschland sprechen dabei eine deutliche Sprache, betont auch die Made in Germany GmbH. Für viele Verbraucher hat das Label nach wie vor den Klang einer Zusicherung – ein Versprechen, auf das man gerne vertraut.