Wie lief das Jahr 2021 für Anbieter von DIY-Produkten rund um Fahrrad, Motorrad, Auto und Co.? Die Bilanz fällt gemischt aus. „Im Fahrradsegment war die Nachfrage weiter auf sehr hohem Niveau, jedoch stark eingebremst aufgrund von Verfügbarkeiten von Bauteilen. Im Bereich Auto (DIY) zeigte sich die Nachfrage aufgrund des Lockdowns in den ersten fünf Monaten des Jahres 2021 rückläufig“, berichtet Jürgen Herrmann, Geschäftsführer der MTS-Group, und ergänzt: „Nach Öffnung der Märkte zog die Nachfrage wieder an, es gab aber keinen Nachholeffekt.“ Beim Rülzheimer Unternehmen, das unter anderem Artikel in den Bereichen Fahrrad und Auto der Marken Fischer, Nigrin und Cartrend anbietet, macht der Vertriebsweg Baumarkt mit diesen Produktsegmenten aktuell einen Anteil von rund 50 Prozent aus, wie der Hersteller betont. Man habe im vergangenen Jahr mit diesen Produktsegmenten über off- und online-Vertriebskanäle einen Umsatz von mehr als 300 Mio. Euro erwirtschaftet, erläutert der Geschäftsführer.
Bei Ballistol, einem Anbieter von Spezialölen, Reinigern und Pflegemitteln mit Sitz im niederbayerischen Aham, ist die Nachfrage nach Produkten für Auto oder Fahrrad 2021 doppelt so hoch ausgefallen wie noch 2019 vor Beginn der Pandemie, berichtet der Vertrieb. Hier machen Baumärkte 25 Prozent der Vertriebswege aus. Von einem Umsatzwachstum über alle Produktsegmente und Vertriebswege hinweg berichtet der Schmierstoffspezialist Liqui Moly – so auch im Hauptgeschäft, den Produkten für Automobile, sowie im Fahrradbereich mit zweistelligen prozentualen Wachstumsraten. „Im Baumarktgeschäft hat es aufgrund von Lockdowns Verschiebungen zum Fachhandel und Verbrauchermärkten gegeben. Insgesamt verzeichneten wir ein Plus von 20 Prozent, im Inland von rund 12 Prozent“, sagt der Vertriebsleiter Deutschland, Günther Wengert.
Umsatz mit Autopflegemitteln gestiegen
Was Produkte für das Auto betrifft, zeichnen Zahlen des Industrieverbands Körperpflege- und Waschmittel (IKW), des Marktforschungsinstitutes Information Resources GmbH (IRI) und der GfK, die das Portal Statista veröffentlicht hat, für das vergangene Jahr ein positives Bild der Branche: Demnach erreichte der Umsatz mit Pkw-Pflegemitteln in Deutschland 2021 rund 253 Mio. Euro, nachdem der Wert in den Jahren 2018 bis 2020 noch bei knapp 250 Mio. Euro stagniert hatte.
Primäre Herausforderung: Lieferengpässe
Auf dem Fahrradmarkt sah es im zurückliegenden Jahr im Vergleich zum Boomjahr 2020 nicht ganz so rosig aus. Das zeigt etwa der Branchenbericht Fahrräder des IFH Köln: Habe der Markt mit einer Wachstumsrate von 41,3 Prozent 2020 noch zu den klaren Gewinnern der Coronakrise gezählt und weit vor allen anderen Non-Food-Branchen gelegen, kämpfe er aktuell mit Lieferengpässen. So müsse für 2021 erstmals wieder mit einem Umsatzrückgang gerechnet werden.
Ähnliches berichtete auch der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) Mitte 2021. Weltweit hätten sich Werksschließungen und Produktionsunterbrechungen aus 2020 fortgesetzt, die Knappheit an Rohstoffen und die Brüche in der Lieferkette hätten sich 2021 deutlich verschärft (etwa Suez-Kanal im März 2021.) Trotz alledem habe die deutsche Fahrrad- und E-Bike-Industrie im ersten Halbjahr die Produktion gegenüber den Vorjahren 2020 und 2019 insgesamt leicht steigern können, teilt der Verband mit. In den ersten sechs Monaten wurden 1,41 Mio. Fahrräder und E-Bikes produziert. Dies entspricht einem Zuwachs von 1,8 Prozent. Der Zweirad-Industrie-Verband schätzt, dass zwischen Januar und Juni 2021 insgesamt ca. 2,75 Mio. Fahrräder und E-Bikes (Pedelecs) verkauft wurden. Das ist ein Rückgang von rund 14,1 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020, der, wie der Verband betont, ausschließlich aus dem Rückgang der verkauften Fahrräder ohne Tretunterstützung resultiere. Der Verkauf von E-Bikes (Pedelecs) in Deutschland ist hingegen nach ZIV-Angaben erneut gestiegen, auf 1,20 Mio. (+9,1 Prozent). Mit 1,55 Mio. Fahrrädern ohne Tretunterstützung wurden in Deutschland deutlich weniger Fahrzeuge dieser Kategorie verkauft als im Vorjahreszeitraum (-26 Prozent). „Die Unternehmen der deutschen Fahrradbranche haben den Problemen in der Lieferkette getrotzt und mehr produziert als vor Corona. Sie haben sich vor allem auf die Produktion von E-Bikes konzentriert, denn die werden im Moment am stärksten nachgefragt“, weiß ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork.
Insgesamt war die Situation auf dem Beschaffungsmarkt das bestimmende Thema im vergangenen Jahr, wie auch die eingangs zitierten Statements dreier maßgeblicher Unternehmen auf diesem Markt zeigen. So stellten für Ballistol der Bezug von Einzelteilen und das Aufrechterhalten von Lieferketten die größten Herausforderungen dar. Der Vertriebschef von Liqui Moly berichtet von Problemen auf dem Rohstoffmarkt und damit einhergehende Preissteigerungen sowie gerissene Lieferketten. Jürgen Herrmann merkt an, dass weiter andauernde Lieferengpässe bei Komponenten für die E-Bike-Produktion das Alltagsgeschäft bei MTS bestimmen. Aber auch beim Autozubehör, wo es hauptsächlich an technischen Artikeln mit Halbleitern mangelte, sowie in der Autopflege, besonders bei Adblue, hätten sich die Engpässe niedergeschlagen. Darüber hinaus habe der fünf Monate andauernde Lockdown in der DIY-Branche die Rülzheimer vor Herausforderungen gestellt. Ähnlich äußert sich Wengert dazu.
Optimismus für 2022 trifft auf Beschaffungskrise
Für das Jahr 2022 zeigen sich die Anbieter vorwiegend optimistisch. „Wir rechnen mit einer weiter steigenden Nachfrage. Gerade aufgrund der vergleichsweise starken Inflation wird das Thema Reparatur und Pflege für den Werterhalt am Auto immer wichtiger“, ist der MTS-Chef überzeugt. „Der Trend zu mehr Elektromobilität im Fahrradbereich ist ungebrochen und die Nachfrage nicht nur in Deutschland wird vertriebskanalübergreifend weiterwachsen, sowohl nach E-Bikes als auch nach Zubehörartikeln, wie Helme, Schlösser und Beleuchtungen. Dazu kommt, dass das Thema Urlaub in heimischen Regionen weiter hohe Bedeutung besitzt und dies sowohl auf Auto als auch Fahrrad positive Auswirkungen haben wird“, ergänzt er.
Ähnlich schätzt der Vertrieb von Ballistol die künftige Lage ein: „Wir denken, die Nachfrage wird dieses Jahr so bleiben oder leicht steigen.“ Jedoch gehe man davon aus, dass sich die angespannte Liefersituation bei Rohstoffen und Einzelteilen noch verstärken werde.
Das vermutet auch Günther Wengert von Liqui Moly: „Es bleibt weiterhin herausfordernd, da keine Entspannung am Rohstoffmarkt erkennbar ist. Das betrifft die Preisentwicklung wie auch die Verfügbarkeit von Rohstoffen. Trotz dieser Anspannung haben wir im letzten Jahr einen Produktionsrekord aufgestellt, an den wir dieses Jahr anknüpfen möchten“, betont er und gibt sich damit trotz aller Herausforderungen zuversichtlich.
Viele steigen aufs Fahrrad um, Pkw weiterhin stark
Wie die Folgen der Pandemie die Mobilitätsmuster der Deutschen und daher auch das Geschäft rund um Fahrrad und Pkw beeinflusst haben, zeigt der Mobilitätsmonitor 2021, eine repräsentative Bevölkerungsumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Demnach reisten 61 Prozent der Bürger generell weniger, jeder Dritte fuhr weniger Auto und stattdessen mehr Fahrrad. Trotzdem nutzte noch knapp die Hälfte der Befragten den Pkw mindestens täglich oder sogar mehrmals am Tag. Der Anteil derjenigen, die völlig auf die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs verzichteten, ist im Vergleich zum Vorjahr stark gestiegen: 2020 waren dies 16 Prozent, 2021 sind es 26 Prozent. „Nach Corona wollen die Menschen weiterhin mehr Fahrrad fahren, aber nicht mehr auf Reisen verzichten“, so die Macher der Studie.
IFH sieht Chancen im E-Bike-Markt
Gute Aussichten also für den Fahrradmarkt. So ist auch das IFH überzeugt, dass der Fahrradmarkt langfristig auf Wachstumskurs bleiben wird. „Ab 2022 werden die wesentlichen Lieferengpässe überwunden sein und es kann wieder mit einem Umsatzplus gerechnet werden“, nehmen die Kölner an. Denn nach wie vor seien E-Bikes der Wachstumsträger der Branche. 2020 machten sie demnach durch ihre Ansiedlung im oberen Preissegment mit einem durchschnittlichen Verkaufspreis von rund 2.600 Euro rund 70 Prozent des Marktvolumens aus. Das Fahrrad werde als mobiles, modernes und nachhaltiges Verkehrsmittel gesehen und biete damit zunehmend eine Alternative zum Auto, lautet die Begründung aus dem Institut.
Radverkehr in Deutschland
Laut Angaben des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr vom 13. Januar 2022 liegt das Fahrrad in Deutschland mehr denn je im Trend. Das Radverkehrsaufkommen habe während der Corona-Pandemie weiter zugenommen und gewinne damit zusätzlich an Bedeutung. Mehr als 80 Prozent der Deutschen nutzen demnach dieses Verkehrsmittel, 55 Prozent halten es für unverzichtbar. Darüber hinaus verzichteten immer mehr Menschen vor allem bei Distanzen von bis zu 15 Kilometern auf ihr Auto und nähmen stattdessen das Fahrrad, unterstreicht die Behörde. Wie das Ministerium weiter mitteilt, besitzen rund 80 Prozent aller Haushalte in Deutschland mindestens ein Fahrrad, in 30 Prozent sind drei oder mehr davon vorhanden, das sind etwa 78 Millionen Fahrräder.