Herr zu Jeddeloh, die Baumschule zu Jeddeloh hat gerade ihr Logistik-Zentrum verdoppelt. Wieso ist das überhaupt notwendig – im zweiten Corona-Jahr?
Jan zu Jeddeloh: Mit der Vergrößerung unseres Logistikzentrums haben wir uns gedanklich schon länger befasst. Die Planungen haben schon vor der Corona-Pandemie begonnen – einfach deshalb, weil sich unser Geschäft in den letzten Jahren immer mehr auf das Frühjahr fokussiert hat und wir innerhalb weniger Monate den Großteil unserer Pflanzen verkaufen und verladen müssen. Bedingt durch besondere Markenprodukte und kundenindividuelle Leistungen konnten wir außerdem in den letzten Jahren weiter expandieren und neue Gartencenter-Kunden hinzugewinnen.
Wir haben den Anspruch jeden Kunden bundesweit zweimal wöchentlich zu beliefern, was durch die vergrößerte Versandhalle und die Umstrukturierung weiterer Arbeitsprozesse gewährleistet ist. Gerade das letzte turbulente Corona-Frühjahr hat gezeigt, wie wichtig eine gut funktionierende Logistik und Warenwirtschaft ist. Als plötzlich alle Gartencenter nach dem Lockdown wieder öffnen durften, war die Nachfrage nach Pflanzen innerhalb kürzester Zeit extrem hoch.
Sie sind eine der großen Containerbaumschulen Europas. Vertreiben Sie ausschließlich selbst produzierte Ware?
Etwa 80 Prozent unserer Pflanzen produzieren wir in insgesamt sechs Betriebsteilen selbst. Bei Spezialkulturen wie zum Beispiel Schling- und Kletterpflanzen arbeiten wir mit festen Vertragsanbaupartnern aus der Region zusammen.
Wohin, in welche Länder und Regionen gehen die Pflanzen von hier aus?
Wir beliefern inhabergeführte Gartencenter und Filialisten, darunter auch Baumarktketten in Deutschland, aber auch im europäischen Ausland. Zu den wichtigsten Absatzmärkten außerhalb der Bundesrepublik zählen Österreich, die Schweiz, Dänemark, Schweden, Frankreich, die Benelux-Staaten und Osteuropa.
Frau Solbrig, die Baumschule zu Jeddeloh hat als einer der ersten großen Player der Branche auf das Thema Marke gesetzt. Warum? Was haben Sie, was hat der Handel davon?
Ivonne Solbrig: Alles begann für uns mit der Einführung der amerikanischen Pflanzenmarke Endless Summer in den deutschen Markt. Hier haben wir aus der ersten remontierenden Hortensie, einer Weltneuheit mit einzigartigen Eigenschaften, über viele Jahre eine Marke aufgebaut und im deutschen Markt etabliert. Der Erfolg dieser Marke hat uns dazu bewegt, mehr in den Bereich Markenentwicklung und -management zu investieren. Heute bieten wir unseren Kunden mit BrazelBerry, Zepeti oder Hof-Obst weitere unverwechselbare Markenprodukte an, die genau wie die Hortensie Endless Summer entsprechende Margen bringen und sich von No-Name-Produkten deutlich differenzieren.
Neben der Einführung von Pflanzenmarken haben Sie auch eine eigene Hausdruckerei aufgebaut. Was ist der Vorteil für Ihre Kunden?
Mit unserer Hausdruckerei machen wir es möglich, dass nun Gartencenter mit ihrem eigenen Namen für die gute Pflanzenqualität bürgen können – mit hauseigenen, gelabelten Etiketten, gestaltet nach individuellen Wünschen. Ware aus einem Guss – in gleicher Aufmachung – schafft Ordnung im Gartencenter und unterstreicht die Wertigkeit der Pflanzen. Mit dem hauseigenen Logo wertet das Gartencenter auch das Standardsortiment jenseits der Markenprodukte auf und hebt es von günstiger Aktionsware ab. Das erweckt Vertrauen beim Endverbraucher und bindet Kunden langfristig.
Sie haben in den zurückliegenden Jahren schon einige Trends bedient oder gesetzt, beispielsweise mit den XXL-Pflanzen – die Kunden wollen gleich genießen und nicht warten –, mit dem Naschobst für den Balkon – Stichwort Urban Gardening – oder mit dem Hof-Obst – Stichwort Regionalität. Es wird häufig gesagt, dass Corona bestehende Entwicklungen verstärkt. Ist das in diesem Fall auch so?
Bei der Produktentwicklung gehen wir genauso vor wie Unternehmen aus anderen Branchen – wie beispielsweise der LEH. Wir analysieren gesellschaftliche Trends, schauen, inwieweit Produkte von uns diese Trends bedienen, und nutzen das auch für unsere aktuellen PR- und Werbeaktivitäten.
Corona hat, bedingt durch die eingeschränkten Freizeit- und Reisemöglichkeiten, dazu geführt, dass die Lust am Gärtnern im letzten Frühjahr aber im Allgemeinen wahnsinnig gewachsen ist – auch bei jungen Menschen aus der Stadt. Auch alte Traditionen wie die Selbstversorgung sind dadurch noch beliebter geworden. Es ist geradezu en vogue, Obst auf der Dachterrasse zu kultvieren, aus der kleinsten Betonwüste eine grüne Oase zu zaubern und den Balkon nicht mehr nur als Katzenklo oder Freiluft-Kühlschrank zu nutzen, sondern als grünen Rückzugsort aus dem hektischen Alltag. Deshalb sind wir mehr denn je davon überzeugt: Gerade diese „jungen Wilden“ muss man jetzt als Kunden binden – mit einfach verständlichen Konzepten und attraktiven Marken, die sich im oft komplizierten botanischen Dschungel abheben.
Auf welche Szenarien im Handel und bei den Endverbrauchertrends stellen Sie sich für die Zukunft ein?
Die heranwachsende Generation kennt sich weniger mit Pflanzen aus – ist aber dennoch interessiert, etwas in die eigene grüne Wohlfühloase zu investieren, ohne sich vorher allzu viele Gedanken zu machen. Hier gewinnen Marken an Bedeutung, die über Jahre eingängige Botschaften vermitteln, durch besondere Produkteigenschaften überzeugen und Vertrauen schaffen – egal ob es sich dabei um remontierende Hortensien, dauerblühende kompakte Rosen, Blaubeeren für den Balkon oder bienenfreundliche Laubgehölze handelt. Hauptsache, die Vorteile sind für den Kunden auf den ersten Blick erkennbar und verständlich. Gut geführte Marken schaffen Orientierung und reduzieren Komplexität.