Weber ist jetzt auch an der NYSE gelistet. Welche Beweggründe stehen eigentlich hinter dem Börsengang?
Hans-Jürgen Herr: Der Börsengang war ein unglaublich aufregender Tag für Weber, das Team, die Fans und die neuen Investoren; es ist der Beginn eines neuen Kapitels in der Geschichte von Weber. Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ist eine natürliche Entwicklung für unser Unternehmen. Damit sehen wir weltweit noch mehr Möglichkeiten, unsere sehr erfolgreiche Geschichte auf noch höherem Niveau weiterzuschreiben.
Als einziger Deutscher, ja als einziger Europäer mit dabei gewesen zu sein – wie waren die Gefühle, vor dem Bullen und dem Bären in New York zu stehen?
Das war schon sehr spannend, da im normalen Leben so etwas in den meisten großen Firmen ganz weit weg stattfindet oder nur im Film gesehen wird. Da das gesamte Umfeld sehr begeisternd war, wurde ich dann auch sehr schnell davon eingenommen. Ich habe mir dann aber immerhin einige Momente gegönnt, zurückzudenken, wie alles anfing. An diesem Punkt muss ich schon zugeben, dass ich etwas stolz war auf unseren Weg hier in Deutschland und Europa. Wobei in den Gesprächen rund um die Börse mit Analysten oder Investoren insbesondere unsere Position in Deutschland immer wieder herausgehoben wird. USA und Deutschland sind schon die geographischen Eckpfeiler unseres Geschäftes.
Wie spannend muss man sich eigentlich die letzten Sekunden vor dem Ringen der Börsenglocke vorstellen?
Sehr spannend, auch da das bisher kein Mitglied unseres Vorstandes erlebt hatte. Die Börse selbst war außen und innen voll auf Weber rot und schwarz getrimmt. Also vorsichtig gesagt, es ist recht schwierig, dann in so einer Umgebung nicht stolz zu sein. Alles war vorher ein minutiös geregelter Ablauf mit gemeinsamem Frühstück in der Börse, mit Reden des Börsenvorstandes und unseres CEOs Chris Scherzinger, die im Übrigen sehr beeindruckend war, emotional und geschäftlich. Wir hatten parallel weltweit einen Lifestream zu allen unseren Büros hergestellt, so dass alle Kollegen dies mitverfolgen konnten. Als es dann um 9.00 Uhr Ortszeit soweit war, sich für den Glockenschlag vorzubereiten, wurden wir zum Aufzug geleitet, der zu dem berühmten Balkon führte. Da darin plötzlich jeder verstummte und es mir zu ruhig wurde, sagte ich nur, „It‘s like Apollo 11“, was dann die Spannung etwas durchbrach und bei meinen amerikanischen Kollegen natürlich super ankam. Wir standen nun auf den Balkon, zählten herunter und dann hat Chris die Börsenglocke geläutet. Was danach kam, war dann nur noch jubeln, Fotos und Kameras. Seit diesem Moment sind wir ‚public‘, was uns transparent macht und was jedem die Möglichkeit gibt, in Weber zu investieren, weltweit. Das bringt noch mehr Verantwortung, aber auch noch mehr Möglichkeiten. Die erfolgreiche Reise über fast 70 Jahre geht nun noch spannender weiter.
Und: Zufrieden mit dem Börsengang? So manche Analysten äußerten sich ja eher enttäuscht.
Wir haben diesen wichtigen strategischen Meilenstein schon seit einiger Zeit geplant. Wir sind zum richtigen Zeitpunkt an die Börse gegangen, für unsere Aktionäre und für uns, und wir sind zuversichtlich, dass wir dies auch langfristig unter Beweis stellen werden. Unsere Strategie ist und bleibt eine langfristige, dies haben wir direkt nach dem Börsengang auch deutlich gemacht. Ich möchte auch sagen, dass ein Börsengang ohne unsere über 2.100 Weber-Mitarbeiter weltweit nicht möglich gewesen wäre. Sie sind ein so wichtiger Teil des Unternehmens, dass wir sicherstellen wollten, dass sie diesen Moment genießen und davon profitieren konnten.
Jetzt nach Europa, nach Polen. Hier geht Weber noch im Oktober mit seiner ersten europäischen Produktionsstätte an den Start. Weshalb erfolgte der Produktionssprung über den großen Teich und weshalb gerade jetzt?
Zunächst ist dies eine lange und auch persönliche Geschichte, denn ich hatte schon seit 2010, nachdem wir eine vernünftige Größe in Europa erreicht hatten, immer wieder ins Spiel gebracht, auch hier zu produzieren. Trotzdem hat es bis 2017/2018 gedauert, bis wir die Entscheidung endgültig getroffen haben. Die globalen Rahmenbedingungen waren dann einfach reif dafür.
Unser neues Werk in Polen wird sicherstellen, dass wir unsere Produkte dort haben, wo und wann unsere Verbraucher sie brauchen. Es ist ein Beispiel für unsere Strategie ‚Wir produzieren dort, wo wir verkaufen‘. Dieser Ansatz ermöglicht es uns, Produkte näher bei unseren Einzelhandelspartnern und Verbrauchern in Europa herzustellen und auszuliefern, was unsere Marke nicht nur zugänglicher, sondern auch nachhaltiger macht. Mit dieser Strategie tragen wir auch dazu bei, den mit unserem Geschäft verbundenen CO2-Fußabdruck zu verringern. Neben Vorteilen für die Umwelt und der Verringerung von Risiken auf dem Transportmarkt sehe ich in meiner Funktion natürlich auch das Thema einer realisierten, verstärkten Customer Centricity. Es ist offensichtlich, dass uns die hiesige Produktion helfen wird, uns noch mehr auf den europäischen Verbraucher einzustellen, noch schneller zu reagieren und lokale Bedarfe gezielter zu decken.
Welche Produkte und in welchem Umfang sollen im Weber-Werk in Polen produziert werden?
Wir werden später im Herbst mehr Details dazu bekannt geben. Vorab kann ich schon sagen, dass wir natürlich zum Ziel haben, den größten Teil des Bedarfs in Europa hier abzudecken. Das heißt, wir arbeiten an den hier erfolgreichsten Linien im Holzkohle- und Gasgrillbereich.
Weber kommt nach Europa ...
Weber-Stephen fängt im Oktober 2021 mit der Produktion von Grills im oberschlesischen Zabrze (Polen) an. Gestartet wird mit dem Bau von Holzkohle- und Gasgrills, bis 2023 soll dann fast die ganze Grillpalette des Unternehmens in Polen gefertigt werden. Das Unternehmen, das sich vom europäischen Standort gewaltige logistische und zeitliche Vorteile verspricht, will mittelfristig den Großteil des europäischen Bedarfs aus diesem Werk bedienen. Das Zarbzer Werk ist das erste dieser Art des Unternehmens in Europa; 2016 hatte Weber bereits mit der Produktion von Holzkohle in Europa begonnen. Die Entscheidung zum Bau war bereits vor über zwei Jahren gefallen, der Neubau dauerte dann rund ein Jahr. In der neuen Fabrik werden über 250 Menschen beschäftigt. Vom Werk in Zarbze sollen Märkte primär in Europa, aber auch im Mittleren Osten und in Afrika (EMEA) beliefert werden. Die Investitionssumme belief sich auf rund 55 Millionen Euro.
Sie haben 2004 bei Weber, von Villeroy & Boch kommend, angefangen. Wenn Sie zwei Bilder malen würden – eines von Weber Europa im Jahr 2004 und eines von heute –, wie würden diese sich unterscheiden?
Ups, schwere Frage. Eigentlich würde ich keine Bilder malen wollen, sondern meine zwei Wahrnehmungen von damals und heute teilen. Von damals 2004 habe ich eigentlich nur noch das Pinneberger Büro mit drei Räumen und einem blauen Briefkasten im Kopf. Heute sehe ich die ganze emotionale Weber-Welt, wenn ich zum Beispiel an einen Weber Original Store denke und mich inmitten eines Grillakademiekurses mit vielen Gleichgesinnten befinde. Dann erlebe ich alle Markenwerte, die Weber heute ausmachen. Neben Authentizität, Inspiration und Exzellenz ist für mich der hausragende Wert ‚Zusammensein‘, was letztendlich auch das moderne Lagerfeuer ausmachen muss.
Hat sich die amerikanische Sichtweise auf den europäischen Markt im Laufe der Zeit gewandelt und hat man in den USA überhaupt ein Gespür für den spezifischen europäischen Verbraucher?
Im Mittelpunkt von Webers globalem Produktentwicklungsprozess stehen die Erkenntnisse über die Verbraucher und die Forschung. Die Art und Weise, wie die Verbraucher in den verschiedenen Teilen der Welt kochen, speisen und unterhalten, dient als Grundlage für jedes Produkt, das wir auf den Markt bringen, und unsere europäischen Verbraucher stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Auch das Feedback und die Erkenntnisse unserer Einzelhändler in ganz Europa fließen in unsere Produktentwicklung und Markteinführungsprozesse zu jeder Zeit ein. Das ist im Übrigen ein sehr wesentlicher Unterschied zu ‚früher‘. Es ist nicht mehr so, dass das nur durch Anfragen oder Vorschläge aus Europa funktioniert, nein, wir haben sozusagen einen Marktforschungsautomatismus aufgebaut, der sehr gut funktioniert.
Die berühmte Abschlussfrage, dieses Mal zweigeteilt: a) Amerika, EMEA – und weiter? Welche Chancen bietet Weber der asiatische Raum? b) Wie wandelt sich das Grillen in nächster Zeit, wird es digitaler und/oder femininer oder gibt es eine Entwicklung zurück zum ursprünglichen Grillerlebnis mit Feuer und Männerrunde?
Zu a) Der asiatische Markt ist eine wachsende Chance für Weber. Wir sind in allen wichtigen asiatischen Regionen aktiv und konzentrieren uns darauf, den Verbrauchern den Weber Way of Outdoor Cooking näher zu bringen. Hier haben wir in den letzten Jahren sehr wichtige Grundlagen aufgebaut, die uns sehr schnell voranbringen werden. Interessanterweise können wir hier sehr stark auf unsere europäischen Erfahrungen, wie zum Beispiel die Grillakademie, zurückgreifen.
Zu b) Innovationen sind seit 1952 ein Eckpfeiler der Marke Weber. Die digitale Technologie spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, das Kochen im Freien weiter zu entwickeln und neu zu gestalten. Unsere neuesten Produkte, die Genesis und Spirit Smart Grills, nutzen unsere intelligente Technologieplattform Weber Connect, um das Grillen für jedes Fähigkeitsniveau angenehmer zu machen und Frauen und Männern zu helfen, perfekt gekochte Speisen zuzubereiten.
Die jetzt in unsere Top-Gasgrills integrierte Weber-Connect-Technologie besteht aus Hightech-Temperaturfühlern, WiFi- und Bluetooth-Konnektivität und einer ansprechenden Smartphone-App. Diese Technologie ermöglicht es den Weber Smart Grills, sich an die individuellen Kochbedürfnisse der Verbraucher anzupassen – von praktischen Grillprogrammen über neue Rezepte bis hin zur Überwachung der Temperatur und des Gargrads der Speisen. Darüber hinaus können Outdoor-Kochbegeisterte die Weber-Connect-Technologie über ein integriertes LED-Display auf dem Seitentisch jedes Grills oder über die Weber-Connect-App auf ihrem Smartphone nutzen. Die Resonanz der Verbraucher auf diese Produkte ist enorm und meine eigene Beobachtung von mir selbst zeigt, wie schnell man Annehmlichkeiten, die die Smart-Technik bietet, verinnerlicht und nicht mehr missen möchte. Unfassbar!
Doch zurück zum Thema ‚Männerrunde am Feuer‘: Es wird kein Zurück geben. Ich denke, es bleibt. Es bleibt natürlich als Möglichkeit bestehen, für den richtigen Moment und die richtige Runde. Und das ist gut so. Denn Grillen, egal ob Hightech oder offenes Feuer, ist das moderne Lagerfeuer, an dem wir uns treffen und austauschen, an dem wir lernen und genießen. Und dies zusammen, denn: „You’ll never grill alone.“
... and Weber goes NYSE
Weber ist seit Anfang August 2021 an der New Yorker Börse (NYSE) gelistet. Das Unternehmen, dessen Aktien unter dem Symbol WEBR gelistet sind, markierte seinen Erstkurs bei 17,00 US-Dollar. Im Rahmen des Börsengangs wurde Weber mit rund vier Milliarden US-Dollar bewertet. Der Konzern brachte rund 18 Millionen Aktien unters Anlegervolk. Das Management hatte eine Preisspanne von 15 bis 17 US-Dollar anvisiert, schlussendlich lag der Ausgabepreis bei 14 US-Dollar und damit unterhalb der Preisspanne. Das Emissionsvolumen betrug rund 250 Millionen Dollar. Seit 2010 ist Weber mehrheitlich im Besitz der Investmentgesellschaft BDT Capital Partners aus Chicago. Weber profitierte durch die Lockdown-Maßnahmen infolge der Corona-Pandemie in vielen Ländern. In den sechs Monaten bis Ende März 2021 zogen die Erlöse des Unternehmens im Jahresvergleich um mehr als 60 Prozent auf 963 Millionen US-Dollar an, während sich der Gewinn auf 73,8 Millionen US-Dollar mehr als verdreifachte.