Er ist schon so etwas wie ein Mythos der DIY-Branche: Gemeint ist Heinz-Georg Baus, seines Zeichens Baumarktpionier – und zwar im doppelten Sinne, denn Baus gründete sowohl mit Bauhaus einen der großen deutschen Betreiber von Baumärkten, sondern – was viele vergessen - mit Duscholux auch einen der führenden deutschen Badausstatter. Selbst der pfälzische Wettbewerber Hornbach zollt dem Kurpfälzer Konkurrenten für seine Lebensleistung Respekt.
Dabei blickten viele anfänglich skeptisch auf das, was da der Schreinersohn Heinz-Georg Baus (1934 – 2016) zusammen mit seinem Vater am 9. April 1960 in der Quadratestadt auf zwei Geschossen eröffnete – und zwar in dem Haus, in dem die väterliche Schreinerei Holz lagerte: Der erste Bauhaus-Standort öffnete seine Türen auf einer Verkaufsfläche von rund 250 Quadratmetern - vor 60 Jahren eine riesige Fläche.
Vorausgegangen waren der Eröffnung Reiseerfahrungen in den USA, wo der Do-it-yourself-Gedanke schon deutlich weiter entwickelt war als in Deutschland und wo auch die Lieferanten und der Handel schon spezielle Formate für den Kunden entwickelt hatten. Kein Wunder also, dass Baus seinen ersten Markt 1960 nach US-amerikanischem Vorbild in Form eines Selbstbedienungseinzelhandels für Heimwerker konzipierte. 1959 hatten Vater und Sohn Baus dafür bereits die erste Bauhaus Gesellschaft für Bau- und Hausbedarf gegründet.
Zuvor war es in Deutschland erforderlich, auf der Suche nach Werkzeugen oder Baumaterialien von Fachgeschäft zu Fachgeschäft zu gehen. Der gebürtige Heidelberger Baus verfolgte das Konzept des Einkaufs unter einem Dach. Ergänzend zu einem Sortiment, das es erstmals in Selbstbedienung gab, bot er schon damals den Kunden einen Zuschnitt für Holzplatten, einen Lieferservice und einen Kundenparkplatz direkt vor der Tür!
Ob der Mannheimer Markt jetzt der erste Baumarkt Deutschlands war, ja ob es überhaupt bereits das war, was später unter dem Begriff „Baumarkt“ des Deutschen liebstes Kind sein sollte, sei dahingestellt. Eine Initialzündung war er auf jeden Fall. Die „Großen Vier“ der deutschen Baumarktszene (Baus, Maus, Hornbach, Möhrle) tummelten sich zu jener Zeit alle auf der National Hardware Show in New York und entwickelten unabhängig und erfolgreich in den 1960er Jahren „ihre“ ganz speziellen Handelsformate.
Auf Mannheim folgten in zur damaligen Zeit schnellen Folge Niederlassungen in Heidelberg und Karlsruhe, bevor 1967 ein erstes Geschäft im damaligen West-Berlin eröffnete. Bis Ende der 1960er-Jahre gab es zehn Niederlassungen, in den 1970er-Jahren waren es bereits dreimal so viele. Von Beginn der 1980er- bis Ende der 1990er-Jahre konzentrierte sich die Expansion mit 60 Neueröffnungen im Wesentlichen auf Deutschland. Die 100. Niederlassung eröffnete 1989 in Flensburg. Heute betreiben die Mannheimer in Deutschland über 150 Fachgeschäfte.
Das erste Bauhaus außerhalb Deutschland eröffnete 1972 in Österreich, wo auch die erste Landesgesellschaft gegründet wurde. Dann dauerte es ganze 16 Jahre, bevor 1988 mit einer Neueröffnung in Dänemark der zweite Auslandsmarkt und der Markteintritt in die skandinavischen Länder folgten. 1989/90 dann der epochale Umbruch in Europa und die Expansion in die Neuen Bundesländer. 1993 wurde mit einer Niederlassung in Tschechien das erste Bauhaus in den ehemaligen Ostblockstaaten verwirklicht. Aktuell ist Bauhaus außerhalb Deutschlands in Europa mit rund 125 Standorten in weiteren 18 Ländern vertreten.
In Mannheim ist bis heute die Deutschland-Zentrale der Bauhaus AG ansässig. Die Holding verlegte Baus aber bereits in den 1960er-Jahren noch vor der zweiten Eröffnung eines Bauhaus-Standorts in die Schweiz. Steuerliche Gründe haben damals wohl noch keine Rolle gespielt. Heute befindet sich die Zentrale der Holding nach einem im Jahr 2014 erfolgten Umzug von Thun nach Belp im Kanton Bern. 1994 wurde die Interbauhaus AG als Beteiligungsfirma gegründet, die das Finanzmanagement der Fachmärkte steuert. Schöner Nebeneffekt: Die deutsche Landesgesellschaft hat damit den Status eines Schweizer Unternehmens. Die deutschen Niederlassungen werden in zahlreichen relativ eigenständigen Regionalgesellschaften geführt. Die ganze Konstruktion hatte zu diesem Zeitpunkt dann auch (angenehme) steuerliche Gründe.
Das führt zwangsläufig zurück zur Person von Heinz-Georg Baus. „Ich musste in meinem ganzen Leben noch nie jemand fragen, wenn ich etwas machen wollte“, sagte er im Jahr 2010 in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Adler fliegen am besten alleine“, hieß sein Motto. Das Bedürfnis nach Eigenständigkeit und Selbstbestimmung bestimmte seine Person, sein Handeln und seine Geschäftsphilosophie gleichermaßen. Der publizistischen Öffentlichkeit entzog er sich und wurde deshalb gerne als „Baumarkt-Phantom“ bezeichnet. Aber ein Phantom mit Selbstbewusstsein, erkennbar am Kennzeichen seines Privatfliegers, einer Falcon-2000: D-BEST. Gewachsen ist Bauhaus immer aus eigener Kraft, Kredite oder ein Börsengang waren tabu. Wachstum – ja, doch nur, wenn man es sich auch leisten konnte.
Anfang 2000 führte Bauhaus Kooperationsgespräche mit der amerikanischen Baumarktkette The Home Depot, die jedoch ergebnislos beendet wurden. Trotz Ausstieg aus dem Arbeitergeberverband Ende 2004, die gemeinsam mit Praktiker erfolgte, betont das Unternehmen, durchgängig mindestens Tariflohn zu zahlen. Ebenso sind erfreuliche neue Anknüpfungspunkte mit dem BHB zu verzeichnen.
Im Jahr 2015 brachte Heinz-Georg Baus passend zum 50. Firmenjubiläum die Mehrheit an Bauhaus in eine Stiftung ein – Nachfolgeregelung und Vermächtnis in einem. Als Vorbild nannte er der FAZ in einem seiner seltenen Interviews die Robert-Bosch-Stiftung.
Das Sortiment der Bauhaus-Niederlassungen gliedert sich heute in mehrere Abteilungen, sogenannte Fachgeschäfte, und konzentriert sich ausschließlich auf Produkte, die den Bereichen Werkstatt, Haus und Garten zugeordnet werden können. Die Abteilungen sind im Einzelnen: Ambiente (Gardinen, Innendeko, Sonnenschutz, Tapeten, Teppiche), Bauelemente, Baustoffe, Eisenwaren, Elektro/Elektroinstallation, Farben, Fliesen, Holz (inklusive Parkett, Laminat, Paneele), Leuchten, Sanitär/Sanitärinstallation/Badzubehör/Heizung, Gartenhartware/Pflanzen („Stadtgarten“) sowie Werkzeuge/Maschinen.
Ergänzend zum normalen Abteilungskonzept gibt es spezielle Fachkonzepte. Diese bieten im Vergleich zu den Abteilungen ein erweitertes Sortiment und treten meist unter einem eigenen Namen auf. Bestandteil vieler Niederlassungen sind die Gartencenter, genannt „Der Stadtgarten“. Zunehmend werden sogenannte Drive-in-Arenen für Baustoffe und Baumaterialien eingerichtet. Ein weiteres Konzept ist die unter dem Eigennamen geführte „Bäderwelt“, die als Shop-in-Shop-System Produkte und deren Installation anbietet. Darüber hinaus gibt es sogenannte „Nautic“-Abteilungen mit einem Sortiment an Booten und Zubehör für den Wassersport. Daneben gibt es eine sogenannte „Fliesen Arena“; eine Abteilung, die vorrangig Fliesen, Natursteinplatten und Fensterbänke anbietet sowie ein „Profi Depot“, ein spezieller Profi-Service mit einem eigenen Fachsortiment. In fast allen Filialen gibt es außerdem einen Leihservice, der vor allem Großgeräte und Maschinen anbietet, die zum einen sehr teuer in der Anschaffung sind und zum anderen nur selten im Privatbereich gebraucht werden.
Heute ist Bauhaus einer der größten deutschen Baumarktbetreiber. Bei den Umsätzen (Bauhaus gibt keine Zahlen bekannt, daher geschätzt) erwirtschaftete man mit den rund 275 Standorten im In- und Ausland (und damit dem siebten Rang unter den deutschen Baumarktbetreibern) Ende 2019 über 6,8 Milliarden Euro Umsatz (Rang 2) hinter Obi. Bei den Flächenumsätzen rangiert Bauhaus zwar ebenfalls mit 2.037 €/m² hinter dem Dauerkonkurrenten Hornbach, liegt aber weit über dem Branchenschnitt (1.698 €/m²).
Dr. Joachim Bengelsdorf