Joachim Bengelsdorf

Editorial

Personale Müdigkeit?

Hach, das waren noch Zeiten, als man als Journalist mit den Personalsondermeldungen überhaupt nicht mehr nachkam. Sie erinnern sich?
Es war so vor gut zehn Jahren, als man das Gefühl hatte, Vorstände, Geschäftsführer, Einkaufs-, Vertriebs- und Marketingchefs würden schneller wechseln als die Mondphasen. Und alles sowohl handels- als auch lieferantenintern, aber auch im gegenseitigen Wechsel oder von anderen Branchen. Es glich zeitweise mehr einem Bäumchen-wechsel-dich-Spiel, was da auf den höchsten Personalebenen stattfand.
Wer ein Unternehmen verließ, war schneller wieder irgendwo da, als man seinen Weggang vermelden konnte. Wer etwas Hintergrundwissen besaß, wunderte sich schon das ein oder andere Mal, wer eine zweite oder gar dritte Chance bekam, wer abgeworben oder wer befördert wurde, welcher Skandal sich wo ereignet hatte. Zwei Dinge kamen damals zusammen: Der DIY-Markt präsentierte sich hektisch, unruhig, aufgeregt, unsicher und viele Führungskräfte waren gleichzeitig wechselwillig. Das war sozusagen der Nährboden für neue Laufbahnchancen
Jetzt ist es inzwischen zwar nicht so, als wäre der Stellenmarkt für die sogenannten "high potentials" vollkommen eingeschlafen, "vor sich hindösend" scheint aber ein Attribut zu sein, das man ihm durchaus verpassen kann. Personale Müdigkeit macht sich breit. Wer heutzutage auf höchster und hoher Ebene gehen muss, von dem hört man häufig lange Zeit nichts mehr. Anschlussverwendung? Fehlanzeige! Die Aufnahme einer Beratertätigkeit, früher eine bewusste und freiwillige Entscheidung vieler Führungskräfte, ist heute eher erstens steuerrechtlich motiviert, zweitens die Regel und drittens oft eine Verlegenheitshandlung. Als Journalist muss man häufig schon etwas hartnäckig recherchieren, um herauszubekommen, welche frühere Führungskraft heute wo und in welcher Liga spielt. Die Frage "Weißt Du eigentlich, was der ... macht?" wird heute deutlich häufiger gestellt als früher.
Verständlich, dass aktuell der Mut zu wechseln bei der DIY-Elite auch nicht gerade allzu stark ausgeprägt ist. Dabei: Ohne ein Mindestmaß an personeller Dynamik droht unsere Branche langfristig zugrunde zu gehen. Inzestuöse Zustände tun nicht gut. Dass diese nicht eintreten, dazu gehören zwei: mutige Aufsichtsräte und Chefs auf der einen und drängende, auf neue Aufgaben heiße Führungspersönlichkeiten auf der anderen Seite. Die Stunde des Pan vermittelt nur eine trügerische Ruhe.
Joachim Begelsdorf
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