„In der Zeitung nichts über die Zeitung“, lautet eine alte Regel im Journalismus. Für die Entstehungsgeschichte eines Artikels oder die Befindlichkeiten des Autors interessiert sich der Leser meist weniger. In (Fach-)Zeitschriften will er schlicht (Fach-)Informationen lesen. Also bitte kein oder so wenig wie möglich „Ich“ oder „Wir“ im Blatt. Diese Regel breche ich heute. Anlass ist eine Meldung, die wir kürzlich auf DIYonline veröffentlicht haben. Das heißt: Der eigentliche Anlass ist, dass ich gegen eine weitere journalistische Regel verstoßen habe: die Sorgfaltspflicht, die es gebietet, jede Information, zumal wenn sie von interessierter PR-Seite kommt, zu prüfen. Worum geht es? Ein Markenhersteller hat darüber informiert, dass er einen Preis für eine Produktreihe bekommen hat. So weit, so gut. Keine Knallermeldung, aber eben doch eine mit einem gewissen Informationswert, wie wir sie oft auf DIYonline veröffentlichen. Was nicht in der Pressemitteilung stand: Einer der beiden Wettbewerbsjuroren, die für die entsprechende Produktkategorie verantwortlich sind, ist der Chef der PR-Agentur, die für den Hersteller die Pressearbeit macht. Zwei Klicks auf die Website des Wettbewerbs, und ich hätte ihn in der Jury entdeckt. Ich hätte dann womöglich früher nachgefragt und erfahren, dass sich der Kollege bei Abstimmungen über Produkte des von ihm vertretenen Unternehmens enthält – was ihn ehrt. Ich hätte aber auch erfahren, dass es im vergangenen Jahr gar keine Einreichungen anderer Hersteller in diesem Produktsegment gab – was den Preis nicht unbedingt aufwertet. Auch wenn der Anlass vielleicht eine Lappalie ist – die Sache wirft doch ein bezeichnendes Licht auf Arbeitsweise, Funktion und Wahrnehmung der Fachpresse. Wir sind nicht die Speerspitze des investigativen Journalismus. Unsere Leser erwarten nicht, dass wir Firmen an den Pranger stellen. Denn sie sind nicht nur Leser, sondern zugleich das Objekt der Berichterstattung, häufig auch Abonnenten und Inserenten: zahlende Kunden. Die berechtigte Lesererwartung hat aber eine Kehrseite. Denn umgekehrt muss sich die Branche die Gretchenfrage gefallen lassen: Wie hältst du es mit deiner Fachpresse? Was ist sie dir wert? Das ist kein „Ätsch, selber Schuld“, sondern der Versuch eines offenen Austauschs. Nur so können wir verhindern, uns hinter zweifelhafte Argumente zurückzuziehen, die da beispielsweise lauten: „Da muss man eben zwischen den Zeilen lesen.“ Die Erotik eines Textes könne gerade darin liegen, nicht alles explizit darzustellen. Der wirklichen Erotik des Weglassens hätte ich besser zu Beginn der ganzen Geschichte erliegen sollen – und gleich die ganze Meldung weglassen. Denn das erwarten die Leser von ihrer Fachpresse zu Recht: Nicht nur saubere, sondern auch relevante Informationen. Rainer Strnad Download: Die Erotik des Weglassens (PDF-Datei)