Wie wird man 2030 leben? Welche Funktion wird das Zuhause haben? Werden die Deutschen durch zunehmende Remote-Arbeit und Wohnraummangel wieder aufs Land ziehen? Wird aufgrund von zunehmendem Nachhaltigkeitsbewusstsein stärker in die Modernisierung des eigenen Zuhauses investiert? Führen Produktinnovationen und sinkende Preise dazu, dass mehr Menschen auf vernetzte Geräte zur Automatisierung sowie die dazugehörigen Dienstleistungen setzen? Um diese Fragen zu beantworten, hat ein Team der WHU – Otto Beisheim School of Management im Rahmen der sogenannten Delphi-Studie mit 60 Experten einen Blick in die Zukunft des Zuhauses geworfen.
„Für die Ergebnisse der Studie war es wichtig, Experten aus vielfältigen Gesellschaftsschichten und Branchen zu finden, um eine möglichst umfassende Perspektive auf das Thema zu erhalten“, betont Studienleiter Professor Dr. Sascha L. Schmidt, Leiter des Center for Sports and Management der WHU – Otto Beisheim School of Management. Daher wurde das Expertenpanel aus Werkzeugherstellern, Betreibern von Bau- und Gartenmärkten, Architekten, Medienschaffenden und Wissenschaftlern zusammengestellt. Die Teilnehmer gaben zwischen Mitte Juli und Ende August 2021 ihre Einschätzungen zu 14 Projektionen zur Bedeutung des Zuhauses im Jahr 2030 ab. Für jede Projektion sollte die erwartete Wahrscheinlichkeit und Wünschbarkeit des Eintretens sowie das mögliche Ausmaß ermittelt werden. „Bei Zukunftsstudien geht es nicht primär darum, eine Vorhersage zu treffen, die dann mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit so eintritt. Entscheidend ist vielmehr, dass man sich mit der Zukunft an sich auseinandersetzt und verschiedene Szenarien und deren Auswirkungen ins Blickfeld nimmt“, erläutert Schmidt. „Die Ergebnisse einer Zukunftsstudie ermöglichen es, sich auf verschiedene Szenarien besser einzustellen.“
Die Untersuchung wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Werkzeughersteller Einhell konzipiert, der auch die Durchführung finanziert hat. „Die Welt verändert sich derzeit rasend schnell. Da ist es wichtiger denn je, einmal innezuhalten und zu schauen, in welche Richtung sich der Kurs in Bezug auf unseren Kernmarkt entwickeln könnte“, erläutert Julian Bohry, Marketing-Verantwortlicher der Einhell Germany AG.
Keine maßgebliche Veränderung bis 2030
Nach Meinung der Befragten ändert sich die elementare Bedeutung des Zuhauses trotz erheblicher Umwelteinflüsse bis 2030 nicht maßgeblich. In einer gefühlt unsicher werdenden Welt werde es ein Rückzugsort sein, ein Refugium, in dem die Bewohner vielfältige Aktivitäten entfalten können. Eine hohe Übereinstimmung bestand darin, dass das Zuhause ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln und ihm eine hohe Bedeutung im Ausdruck der eigenen Ideen und Werte zukommen wird.
Drei Zukunftsszenarien
Auf Basis der Zukunftsprojektionen wurden drei unterschiedliche Zukunftsszenarien identifiziert. Szenario 1 umfasst vier Zukunftsprojektionen und beschreibt das Zuhause als einen Ort im Wandel. Demnach kehrt sich die bisherige Entwicklung hin zur Urbanisierung um in einen Trend zur Stadtflucht. Es wird mehr in die Modernisierung des eigenen Zuhauses investiert, von motorbetriebenen Geräten auf Akkutechnologie gewechselt und in smarten Wohnungen gewohnt. Die Experten halten dieses Szenario für überdurchschnittlich wünschbar und dessen Eintreten insgesamt für möglich. Die Auswirkungen werden hier als vergleichsweise hoch eingeschätzt.
Szenario 2 umfasst drei Zukunftsprojektionen und beschreibt das Zuhause als einen Ort der gleichberechtigten Selbstverwirklichung. In diesem insgesamt weniger wahrscheinlichen Szenario zählen Do-it-yourself-Aktivitäten zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten und Mann und Frau teilen sich Heimwerkertätigkeiten gleichberechtigt auf. Auffällig sei hier gewesen, so die Initiatoren der Studie, dass die Frauen unter den Befragten dieses Szenario der Arbeitsteilung für wahrscheinlicher hielten als ihre männlichen Kollegen. Darüber hinaus wird das Zuhause als primäres Statussymbol verstanden. Man zeige seinem Umfeld gerne, was man mit den eigenen Händen geschafft hat, und präsentiere dies auch in den sozialen Medien, lautete eine Begründung. Einen Eintritt dieses Szenarios halten die Experten für wenig wirkungsreich und wünschbar.
Szenario 3 umfasst fünf Zukunftsprojektionen und beschreibt das Zuhause als einen Ort des systematischen Rückzugs. In diesem laut den Teilnehmern insgesamt unwahrscheinlichsten Zukunftsbild verbringen Menschen den Großteil ihrer Zeit Zuhause, unter anderem um dort zu arbeiten. Ein Eintreten dieses Szenarios halten die Experten für wenig wünschbar. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen und wird dies auch bleiben. Zudem war man sich einig, dass es nicht begrüßenswert sei, wenn infolge dessen der Anteil der Bevölkerung mit Wohneigentum zurückgehe und dass Algorithmen eigenständig über Anschaffungen für das Zuhause entscheiden könnten. Dass Menschen im Jahr 2030 eine standardisierte Akkuplattform für all ihre elektronischen Geräte nutzen, halten die Befragten hingegen für überdurchschnittlich wünschbar, aber unwahrscheinlich. Das begründen sie mit fehlendem Interesse der Hersteller an wettbewerbs- oder industrieübergreifenden Lösungen bis 2030.
Das Expertengremium spitzte die wahrscheinlichsten einzelnen Projektionen aus diesen Szenarien auf fünf zentrale Erkenntnisse zu: „Im Jahr 2030 wird das Zuhause das primäre Statussymbol sein“, „2030 ist das Zuhause ein Ort des permanenten Wandels“, „Do-it-yourself gehört 2030 zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten“, „2030 teilen sich Männer und Frauen die Heimarbeit gleichberechtigt auf“ und „Kabellose Freiheit wird bei Heimwerker- und Gartengeräten die Zukunft bestimmen“.