Ich erinnere mich noch sehr gut: Ende Januar 2020 feierten wir wieder einmal den Geburtstag meiner Frau. Der Abend war schon etwas fortgeschritten, da kamen wir darauf zu sprechen, dass da in China irgend so ein neuartiger Virus kursiere. Für die meisten in der Runde stand fest: Weit weg, Ferner Osten eben, das tangiert uns wohl nicht. Meine Frau dagegen war skeptischer: „Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl“, höre ich sie noch heute sagen. Sie sollte leider mit ihrer schlechten Vorahnung Recht behalten. Nur wenige Wochen später waren auch wir in Europa im Würgegriff von Covid-19.
Ein Jahr ist das jetzt alles her und unsere Erinnerungen an „normale Zeiten“ schwinden immer mehr. Auf der einen Seite haben wir uns zwischenzeitlich an das neue Virus fast so etwas wie gewöhnt, wurde dieses Alltag, auf der anderen Seite versuchen wir, einen Weg durch ein Feld von Fragezeichen zu finden: Welche Maßnahmen helfen, welche Einschränkungen sind wirklich sinnvoll, wie läuft es mit der Impfung? Inzwischen sprechen wir Wörter wie „Epidemiologie“ ohne zu stottern aus, sind wir Experten in Bezug auf Inzidenzzahlen und können ohne Probleme die Namen deutscher Virologen und Virologinnen herunterbeten.
In der augenblicklichen „zweiten Welle“ (oder sind wir schon in der dritten?) wurden die Baumärkte und Gartencenter leider nicht mehr als systemrelevant eingestuft. Bis auf Sachsen wurden sie bis auf einen Click-and-Collect-Status heruntergefahren. Man hört wenig Gemurre aus der Branche. Man fährt gut damit, aufgrund des doch etwas unverhofften Glücks des vergangenen Jahres, was die Öffnungsmöglichkeiten betraf, sowie wegen der insgesamt überragenden Umsatzzahlen von 2020 jetzt die Füße still zu halten.
Darf ich Ihnen in diesem Zusammenhang mein augenblickliches mulmiges Gefühl mitteilen? Dieses geht mehr in Richtung der zahlreichen klein- und mittelständischen Unternehmen, Gewerbetreibenden und Dienstleister. Es geht auch um unsere Innenstädte, aber nicht nur. Ich sehe da eine Welle von Schließungen, Geschäftsaufgaben und Pleiten auf uns zukommen, wenn die bisherigen Maßnahmen (Änderungen im Insolvenzrecht, Unterstützungs- und Hilfszahlungen etc.) einmal enden. Erst dann wird uns das Virus wirklich die Rechnung seiner brutalen sozioökonomischen Folgen auf den Tisch legen. Ich gebe zu, dass ich noch davor zurückschrecke, allzu intensiv in diesen Abgrund zu schauen.
Herzlichst Ihr
Dr. Joachim Bengelsdorf
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P. S.: Noch bis zum 18…