Ist es wirklich nur im Sinne der Kunden gut gemeint oder macht man einfach mehr oder weniger aus der Not eine Tugend? Wir sprechen über das Thema „Selbst ist der Baumarktkunde“ und darüber, wie Handel und Industrie versuchen, den potenziellen Käufer von DIY-Produkten möglichst selbständig, zügig und ohne allzu viel „Feindkontakt“ mit dem Baumarktpersonal seine Auswahl- und Kaufentscheidung treffen zu lassen. Gerade erklärungsbedürftige Ware hat es in unseren Baumärkten nicht leicht, an den richtigen Kunden gebracht zu werden. Machen wir uns nichts vor: Erstens fehlt es oft einfach auf der Fläche an Beratungspersonal, zweitens mangelt es häufig entweder an deren fachlichen oder verkäuferischen Qualifikation. Man trifft entweder auf jemanden, der gut verkauft, von meinem Problem aber keine Ahnung hat, oder auf jemanden, der geradezu ein Experte ist, mir aber unter Umständen das Produkt schlecht macht oder vor lauter Detailbegeisterung nicht an das Cross-Selling denkt, also danach fragt, ob ich neben der Farbe auch noch Pinsel und Co. benötige. Die verschiedensten Kundenbefragungen zeigen, dass die deutschen Baumärkte, was Beratungskompetenz angeht, seit Jahren mehr oder weniger vor sich hin dümpeln und das noch im Branchenvergleich relativ weit unten. Da helfen auch Sonntagsreden nicht, die in schöner Regelmäßigkeit die Bedeutung von Beratung und Service hervorheben. Die Wirklichkeit auf der Fläche stellt sich aus Kundensicht auf jeden Fall anders dar. Unter Lieferanten kursiert ja schon lange das Bonmot, dass so manchem guten Produkt nichts schlimmeres passieren könne, als dass ein Baumarktverkäufer dieses einem Kunden erklärt und verkauft. Wenn die Industrie nicht selber am POS verkäuferisch tätig werden soll oder darf – was bei so manchem Shop-in-Shop-System ja durchaus passiert – dann muss sie sich am Regal und an der Ware was einfallen lassen. Dabei ist „Selbst ist der Kunde“ nicht einmal ein rein POS-spezifisches Thema. Man muss diesen ja zuerst einmal überhaupt dorthin bringen, wo die Ware angeboten wird. Und dann auch wieder aus dem Markt raus. Und zwar möglichst so, dass er wenig Personalkosten verursacht und seine Schnäppchen womöglich noch selbst an speziellen Kassen einscannt. Hier ist also auch die Fantasie des Handels gefragt. Das Thema ist auf jeden Fall so wichtig und breit gefächert, dass wir es in dieser Ausgabe von diy als Schwerpunktthema aufgenommen haben. Lassen Sie sich überraschen, was heutzutage alles zum „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ (Kant) am Regal getan wird. Dr. Joachim Bengelsdorf Download: Not oder Tugend (PDF-Datei)