Dass die Zeiten sich wandeln, erkannte schon Bob Dylan. Gemeint ist die Zeit als Träger von Gedanken, Meinungen, Stimmungen, Haltungen, Verhaltensweisen. Ob die Zeit an sich wandelbar ist, ist eher eine physikalische oder ein philosophisches Problem und sei hier dahin gestellt. Die Schreiber, die in die Zukunft schauen, sollten, so Dylan, vorsichtig in ihren Urteilen sein, wenn Zeiten herrschen, in denen alles von unten nach oben gekehrt wird. Nun, unsere Baumarktszene wandelt sich wirklich. Mit ihr verändern sich u. a. die Sitten, alte Gewohnheiten, lieb gewonnene Rituale, die früher unsere Branche scheinbar wie fest gemauert auf Dauer zu bestimmen schienen. Das betrifft auch den Bereich, wie horizontale (also von Baumarkt zu Baumarkt oder von Lieferant zu Lieferant) und vertikale (also von Baumarkt zu Lieferant und umgekehrt) Wettbewerber miteinander umgehen. Normalerweise gibt es einen Kanon an Verhaltensweisen, der – in der Regel ungeschrieben – festlegt, was man macht und was nicht, was erlaubt ist und was nicht. Man kann sich ernsthaft Gedanken machen, ob eine Linie nicht schon längst überschritten ist, wenn Lieferanten mit speziell auf ihre Produkte bezogenen Sonderrabatten „bestraft“ werden sollen. Oder wenn in Deutschlands größter Tageszeitung – die mit den vier Buchstaben – halbseitig vergleichende Werbung mit Testergebnissen gemacht wird, die zusätzlich zumindest diskussionswürdig sind. Oder wenn Ein- und Verkäufer – Dylan spricht vom Krieg, der immer näher kommt – in Rollenspielen von der anderen Seite als „Feinde“ reden. In Zeiten, in denen Hochschulprofessoren in Büchern das Hohelied der Heuchelei und der Täuschung als geschicktes Managementverhalten singen, ist vielleicht vieles oder alles möglich. Dylan schrieb sein Lied gegen die Verkrustungen der USA in den 1960er Jahren. Die Zeiten, die sich ändern, wurden als positive Entwicklung begrüßt. Allerdings steckt auch in seinem Protestlied etwas Gefährliches, fast Dämonisches drinnen. Was gut gemeint ist, kann ins Schlechte umschlagen: ”The line it is drawn/The curse it is cast/The slow one now/Will later be fast/As the present now/Will later be past/The order is/Rapidly fadin'./And the first one now/Will later be last/For the times they are a-changin'.” (Die Linie ist gezogen,/der Fluch gesprochen./Der Langsame wird später der Schnelle sein,/so wie der Gegenwärtige später der Vergangenheit angehört./Die Ordnung zerfällt schnell,/der Erste wird der Letzte sein./Denn die Zeiten ändern sich.) Ihr Dr. Joachim Bengelsdorf